Handschriftliches Schreiben, mit einer Beilage, von Wilhelm Büchel, gez. ders., an die Regierung [1]
24.7.1910, Vaduz (Haus Nr. 161)
Hohe fürstl. Regierung!
Endesgefertigter stelle an eine hohe Regierung die Bitte:
Eine hohe fürstliche Regierung möge geruhen, dem Gefertigten die Errichtung eines Internationalen Reisebureaus für Spedition-Passage u. Commission in Schaan auf die Dauer von 5-10 Jahre als Alleinvertretung mit begrenzter Provision zu bewilligen. [2]
Diese Konzessionsbewerbung ist in der Beilage I näher begründet.
Beilage I
Schon anfangs des Jahres wurde ich aufgefordert, mich für die Errichtung einer General-Agentur in Liechtenstein für Auswanderung zu verwenden, und habe ich mich mit Rücksicht, dass im allgemeinen dieses Geschäft als gewöhnlicher Menschenhandel beurteilt wird, mir Mühe gegeben, die nötigen Erkundigungen zu erheben, die Bewandtnisse, warum so viele Auswanderer über Buchs reisen, näher kennen zu lernen.
Die Ursache liegt darin, dass die Cunard Line sowie öst. Loyd von den östr.-ungarischen Hafenstädten aus meistens 18-20 Tage zu Wasser sind und diejenigen Leute, welche die Mittel haben, ihre Richtung nach den Hafenstädten des Nordens nehmen. Ein weiterer Grund liegt darin, dass zu gewissen Zeiten alle Schiffe überfüllt sind und die Leute oft 14 Tage auf die Schiffe im Süden warten müssen und dadurch die Reise viel teurer kommt als auf direktem Wege.
Gefertigter sehe deshalb nicht ein, dass das Emmigrationsgeschäft wirklich von so üblem Rufe sein dürfte.
In Österreich ist usus, dass nur in gewissem Umkreise die Errichtung einer solchen Agentur zulässig ist und dieselbe meistens auf 5 Jahre einem Competenten übertragen od. bewilligt wird. Die Regierung unterstellt diese Konzession absolut nicht dem übrigen Gewerbe und beansprucht das Recht, im Falle einer Ungebührlichkeit dieselbe ohne weiteres zu entziehen. Gleichzeitig wird die Conzession nur an einen Competenten verliehen, weil infolge Konkurenz die Reisenden oft betrogen wurden, indem ein Agent die Preise unterbot, ein sogenanntes Angeld nahm und die Leute eine Strecke weit beförderte, wo ihnen erst klar gelegt wurde, dass sie, ohne den bestimmten Termin zu bezahlen, nicht weiter befördert werden können und der betreffende Emmigrant einfach beschwindelt war. Natürlicherweise brachte dies bei den Behörden verschiedene Schwierigkeiten und Anstände, dass man sich veranlasst sah, die Auswanderungs-Agenturen zu beschränken und nur auf gewisse Strecken zu conzessionieren und zwar nur an einen Competenten auf die Dauer von fünf Jahren zu bewilligen.
Der Grund, warum gerade in Schaan die Errichtung einer General-Agentur im Sinne des vorgelegten Ansuchens angezeigt wäre, liegt darin, dass in Buchs eben nur [Johann Isidor] Büchel zum Arlberg diese Conzession inne hat und er meistens die in Östreich conzessionirten Linien ignorirt und trotzdem letztere dort ihre Leute zur Verfügung am Bahnhof aufstellen, die Auswanderer meistens auf andere Linien abgefangen werden, die alle teurer sind als die in Österreich bewilligten Seewege. Aus kürzlichen Zeitungsberichten war sogar zu entnehmen, dass in New York zurückgewiesene Leute von Büchel engagirt, ihr Geld nicht mehr zurückbekamen und auf die Strasse gestellt werden.
Schaan würde den Vorteil bieten, dass die meisten Emmigranten mit ihrem heimischen Gelde verkehren könnten und auch für die dortigen Geschäftsleute stände mancher Verdienst in Aussicht.
Die Schweiz bewilligt als Maximum einem Agenten 30 frs. pro Person und wäre zu wünschen, dass bei uns die Provision auf 24 Kr. reduzirt resp. festgesetzt würde und wäre diese Bestimmung bei Erteilung der Conzession zu präcisiren.
Von welcher Wichtigkeit das Auswanderungsgeschäft für eine Ortschaft werden kann, giebt die Aufmerksamkeit, welche den Emmigranten in Buchs geschenkt wird, beredtes Zeugnis.
Warum gerade der Gefertigte sich zur Einholung dieses Conzession bewirbt, ist darauf hinzuführen, dass ich schon über See gewesen bin und längere Zeit in den vereinigten Staaten verweilte, was scheints von den Schiffsgesellschaften von Bedeutung angesehen wird und auch in der Berechnung der Eisenbahnbillette in das Innere von Amerika mancher Irrtum vermieden wird, speciell im Interesse der Emmigranten.
Der Gefertigte sieht sich weiter veranlasst zu bemerken, dass die Einholung dieser Conzession absolut nichts mit dem Ablaufe der alten Gewerbeordnung [3] zu thun hat, d.h., dass man hier noch einen Vorteil erreichen wollte, der später fraglich würde.
Nur an Hand der Konzession ist es mir möglich, die notwendigen Verträge mit den Schiffsgesellschaften zu bewerkstelligen.
Als Emigration-Bureau wäre das nahe bei der Bahn gelegene Haus des Xander Risch, Maurermeister, in Aussicht genommen.
Der ganze Zweck der Sache kurz zusammengefasst wäre die Gründung einer Konkurenz der schweizerischen General Agentur Büchel zum Arlberg in Buchs in der Ausführung, dass dem Gefertigten von der hohen Regierung bewilligt wird in Schaan ein Internationales Reise-Bureau zu errichten für Spedition- Passage- u. Commission inbegriffen das Recht erteilt wird, Schiffskarten nach allen überseeischen Staaten auszufertigen und das Verdienst pro Person 24 Kr. nicht übersteigen darf, und zwar als Alleinvertretung auf die Dauer von 5-10 Jahren je nach Ermessen einer hohen Regierung. Um die Alleinvertretung wird deshalb angesucht, weil es jedenfalls am besten ist, wenn der in Österreich übliche Modus aufrechterhalten wird und jede Schwierigkeiten verursachende Konkurenz ausgeschlossen bleibt.
Erlaube mir, dies durch ein Beispiel zu beleuchten:
Mit dem Tage der Eröffnung eines solchen Bureaus in Schaan, wird Büchel in Buchs irgend jemand ersuchen, die Conzession einzuholen und er führt das Geschäft. Die Folge würde sein, ein Vertreter in Schaan müsste die Preise unterbieten und die Leute in die Schweiz locken. Dasselbe würden dann alle in Östreich nicht conzessionirten Linien thun.