Zeitungsbericht, nicht gez.; verantwortlicher Verfasser der Petition von 1863 Ferdinand Walser [1]
5.7.1922
Zollanschlussbestrebungen an die Schweiz
N. Die Bewegung für den Anschluss an die Schweiz ist nicht neu. Schon anlässlich des ersten Zollanschlussvertrages von 1862 [sic!] regten sich manche Stimmen für einen Anschluss an die Schweiz.
1864 sollte die Erneuerung stattfinden. Die österreichische Regierung aber hatte den Vertrag vorsichtshalber gekündigt, weil sie im Verhandlungswege einige Änderungen, vor allem über den in Art. 8 des damaligen Vertrages garantierten Minimalbetrag und über den Salzpreis herbeiführen wollte und der österreichische Zollvertrag war schon damals und nicht erst 1918 nicht beliebt und hatte mehr und mehr Gegner auf den Plan gerufen. Infolge Bekanntwerdens der Kündigung im Volke ging von Schaan aus unter Leitung des Ferd. Walser Nr. 201 eine Petitionsbewegung, die sich auf die Gemeinden Mauren, Eschen, Schellenberg, Triesenberg, Planken und Triesen ausdehnte [2], und die einen Zollanschluss an die Schweiz verlangte. Auch später haben sich noch ähnliche Stimmen vernehmen lassen, wie noch zu zeigen sein wird.
Es wird nun gewiss manchen Leser aus den betreffenden Gemeinden interessieren, wie sein Grossvater bezw. 1863 gedacht hat. Zu diesem Zwecke lassen wir die Petition und die bezüglichen Unterschriften folgen. Es ist nicht zu übersehen, dass in manchen Gemeinden an Stelle der alten neue Hausnummern getreten sind. Alle Gründe, so interessant sie sind, lassen sich heute bei zum Teil geänderten Verhältnissen nicht ohne weiteres mehr ganz oder in jenem Masse ins Treffen führen. Manch einer wolle über die Meinung seines Vorvaters nachdenklich werden und sich fragen, wenn das schon vor bald sechzig Jahren gewollt worden ist, darf man dann den Anschluss heute nicht mehr verlangen? Wenn es dennoch nicht zum Anschluss kam, so sind die Gründe grösstenteils ganz anderswo (Deutschnationalismus, monarchistisches Staatsgebilde usw.) zu suchen. Gründe, die heute und bei unsern Vorfahren nicht standhaltig sind. Das V. Bl. und mit ihm die andern Zollvertragsgegner, anders kann beim besten Willen jenes Blatt nicht mehr eingeschätzt werden, wollen in den eigenen Spiegel sehen. Mit ekelhaften Schimpfereien ist die Sache nicht getan und du Vaterland nicht gerettet. Es folgen die Petitionen an den Landtag.
Petition der Schaaner
„Da einerseits Österreich uns, wie wir vernehmen, für die Zukunft eine sehr geringe Entschädigung offeriert, für die grossen materiellen Opfer, welche wir in seinem Zollverbande, durch die hoch taxierten Warenverzollungen, durch Gefällsverluste usw. bringen, und da anderseits, wie aus beigelegtem authentischen Schreiben ersichtlich ist, uns die freundnachbarliche Schweiz die volle Zuversicht gibt, dass mit ihr eine für uns höchst vorteilhafte Zollkonvention geschaffen werden kann, so erlauben sich nun die gefertigten Bewohner von Schaan, dem hohen Landtag die Bitte zu unterbreiten, dieser möge sich bei unserm geliebten Landesfürst sowie bei der wohllöblichen Landesregierung dahin verwenden, dass kein Anstand genommen wird, die Zollverbandskündigung anzunehmen und mit der Schweiz, mit der wir schon unter jetzigen erschwerten Zollverhältnissen weit mehr verkehren, als mit Österreich, einen Zoll- und Handelsvertrag abzuschliessen, der von der gesamten Bevölkerung Liechtensteins mit Freuden begrüsst werden wird und wodurch der hohe Landtag für jetzt und die Zukunft den grössten Dank ernten würde."
Zur Begründung werden die Nachteile aufgeführt und zwar a) erleide die Bevölkerung allein am Kaffeezoll eine Mehrausgabe von fl. 5304; b) an Kleiderstoffen fl. 6800; c) an Zucker, Tabak, Eisenwaren und Glas, Apotheker- und Farbwaren, an Zoll und Akzise und Strafen zusammen fl. 5900, mithin zusammen fl. 18‘004. Hingegen erhalten sie bloss einen niedrigen Gegenwert in (schlechten) Banknoten.
„Besonders aber fällt hierbei schwer in die Wagschale eine allgemeine Klage, die unser Ländchen durchzieht, dass durch diese Steuer gerade der Arme und Mittelstand am äussersten betroffen werde, nämlich dass ein armer Vater mit einigen Familiengliedern ebensoviel Steueropfer bringen muss, als der Reiche der doch den Schutz der Regierung mehr bedarf. Als fernere Schattenseite ist anzuführen, dass eben auch unser früherer starker Verkehr mit der Schweiz in Vieh, Wein, Heu, Mais usw. durch die grossen Umwege, die man der österreichischen Zollämter wegen machen muss, enorm gehemmt und erschwert wurden." Dann wird weiter Klage geführt, wie bei den Feuersbrünsten in Schaan und Triesen die hilfsbereiten Schweizer Nachbarn durch die Zollämter behindert wurden und daher nicht mehr die wünschenswerte Hilfe leisten konnten. „Auch die vielen Schikanen, unangenehme Auftritte und von uns nicht gewohnten Manipulationen von Seite der Finanzwache haben längst bei gar vielen eine Antipathie erregt. – Wie lästig fällt unserem Bauern, der alle Jahre seinen Branntweinhafen sich zusiegeln lassen muss, und öfters, wie es auch dieses Jahr der Fall war, infolge verspäteter Abfindung den Frühobsttrester nicht zu Nutzen ziehen konnte; und wird ihm durch ein Ungefähr das angelegte Sigill zerbrochen, so hat er noch eine tüchtige Strafe zu gewärtigen. – Vom moralischen Standpunkte aus lässt sich ebenfalls anführen, dass in den verflossenen 10 Jahren mehr Entehrungen stattgefunden, als früher, ehe wir diese österreichische Grenzwache im Lande hatten, wovon einige Fälle die Gemeinden in die Lage versetzen könnten, arme hinterlassene Kinder zu erhalten.
Möge man sich nicht etwa wegen kleinlichen politischen Rücksichten von dem uns erwünschten schweizerisch- liechtensteinischen Zoll- und Handelsvertrag zurückschüchtern lassen. Sämtliche Herren Landtagsabgeordneten werden uns bestätigen, dass, wenn wir auch mit unsern loyalen schweizerischen Nachbarn in gesellschaftliche Beziehungen kommen, gerade in dieser Gesellschaft am allerwenigsten politisiert wird. Was eben unsere gegenseitige Sympathie erzeugt, das ist: neben Sitten- und Charakterverwandtschaft unsererseits namentlich die materiellen Vorteile, die dieses Nachbarland uns gewährt, da ausser unserem Verkehr auch für unsere Handwerker, die Schweiz beinahe die einzige Erwerbsquelle ist; und in Zeiten der Not waren diese Nachbarn stets voran, uns mit brüderlicher, mildtätiger Hand entgegenzukommen. Beispiel: Es übermachte die Berggemeinde Grabs den Brandverunglückten von Schaan weit mehr Unterstützungsgaben als das reiche Städtchen Feldkirch mit ganz Vorarlberg, das doch schon von unserem Ländchen Tausende von Interessen gezogen hat. Wir glauben noch beifügen zu können, dass wenn man auch den übrigen Gemeinden des Fürstentums die schönen Hoffnungen kundgibt, die unsererseits der Schweiz selbst gemacht worden, sich die gesamte Bevölkerung ohne Ausnahme unseren Ansichten anschliesst.
Schaan, den 29. Januar 1863 [3]