Das Liechtensteiner Volksblatt informiert über den Ausbruch der Grippe und die medizinischen Bekämpfungsmöglichkeiten


Zeitungsbericht, nicht gez. [1]

Die Grippe. Es scheint, dass die Grippe im Süden in unser Ländchen eingezogen ist. Sie soll von der Luziensteig, wo sie anscheinend unter den Soldaten geherrscht hatte, nach Balzers eingeschleppt worden sein. Seit der grossen Epidemie im Jahre 1889/90 ist die Grippe — der Blitzkatarrh — oder die Influenza, wie sie gewöhnlich bezeichnet wurde, nur in kleineren Epidemien aufgetreten, während sie Heuer wieder sich als „Spanische Grippe" wohl in allen Ländern ausgebreitet hat. Die Krankheit charakterisiert sich durch plötzlichen Beginn mit Fieber, allgemeinem Gefühl der Mattigkeit und Abgeschlagenheit, Kopfweh, Schmerzen in den Gliedern und Kreuzschmerzen, es stellen sich Katarrhe der Atmungsorgane ein, seltener auch Störungen der Verdauungsorgane. Die Hauptsymptome sind das Gefühl der ausgesprochenen Mattigkeit und Schwäche. Von den anderen Erscheinungen sind bald Luftröhrenkatarrhe, bald die Gliederschmerzen vorherrschend. Die Genesung tritt nach einigen Tagen ein. Die Krankheit verläuft im allgemeinen nicht schwer. Schwer ist sie dann, wenn Komplikationen hinzutreten. Die schlimmste von diesen ist die Lungenentzündung. In der letzten Zeit scheint sie in der Schweiz als Nachkrankheit der Grippe einen bösen Verlauf genommen zu haben. Sie ist beim Militär anscheinend häufig aufgetreten, hat aber auch die Zivilbevölkerung in ihrem bösartigen Verlauf nicht ganz verschont. Gefährlich ist die Grippe für ältere Leute und für Leute mit geschwächter Konstitution. Es ist klar, dass bei Unterernährung die Krankheit einen günstigeren Boden findet. In Hinsicht darauf soll man die Krankheit nicht leicht nehmen, sondern baldigst sich ins Bett legen und nicht zu früh aufstehen. Im Beginn der Krankheit tut im allgemeinen Schwitzen gut, besonders durch Anwendung sog. Antipyretica. Selbstverständlich muss vor der wähllosen Anwendung schweisstreibender Mittel gewarnt werden. Die Therapie ist eine symptomatische, d. h. sie richtet sich nach den Krankheitssymptomen und wird vom Arzt bestimmt.

Die Krankheit konnte sich dort am günstigsten ausbreiten, wo grosse Ansammlungen von Menschen stattfinden, z. B. in Kasernen. So konnte man lesen, dass die Behörden in dieser Hinsicht eingeschritten sind. Die in das wirtschaftliche Leben tief eingreifenden Massnahmen der Seuchenbekämpfung sind in den diversen Ländern für die Grippe nicht vorgesehen. Ein grosser Schutz bildet für unsere Verhältnisse die derzeitige Absperrung der Grenzen.

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[1] L.Vo. 2.8.1918, S. 2