Der Liechtensteinische Arbeiterverband verlangt von der Regierung die Erfüllung seiner arbeiterschutzrechtlichen bzw. lohnsteuerrechtlichen Forderungen


Maschinenschriftliches Schreiben des Vizepräsidenten des Liechtensteinischen Arbeiterverbandes, Andreas Vogt, gez. ders., an die Regierung [1]

13.10.1921, Triesen

Hohe fürstliche Regierung in Vaduz!

Am 9. Oktober 1921 fand im „Adler“ in Vaduz eine Versammlung der Arbeitervereine des ganzen Landes statt und hatten hiezu auch sämmtliche in Frage kommenden Orte ihre Delegationen entsandt. Karl Dürr von Bern referierte über die internationale Lage der Arbeiterschaft und hat die Versammlung nach längerer und reiflicher Diskussion folgende Resolution angenommen.

„Die Arbeiterversammlung Liechtenstein's vom 9. Oktober, in Vaduz abgehalten, nimmt Kenntniss von den heute bestehenden Arbeiterschutzgesetzen anderer Länder und ersieht daraus, dass im Fürstentum Liechtenstein in keiner Weise dem Fortschritt auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes Rechnung getragen wird, dass die vom Internationalen Arbeitsamt in Genf erlassenen Bestimmungen in Bezug auf Arbeiterschutz nicht berücksichtigt werden,

sie nimmt Kenntnis von den bisher erfolglosen Eingaben der liechtensteinischen Arbeiterschaft in Bezug auf das Steuergesetz, Arbeitslosenfürsorge, Lohnfrage ecc. [2] und

beschliesst:

es sei die fürstliche Landesregierung nochmals zu ersuchen, den gestellten Begehren zu entsprechen.

Sollte dies nicht geschehen, so beauftragt die Versammlung ihre Vertreter beim internationalen Arbeitsamt und internationalen Gewerkschaftsbund Schritte einzuleiten, damit die Bevölkerung aller Länder von der heute noch bestehenden, äusserst gedrückten Lage der Arbeiterschaft Liechtenstein's in allen Detail aufgeklärt werden und durch diese Instanzen die Regierung veranlasst werde, die berechtigten Wünsche der Arbeiterschaft zu berücksichtigen.“ [3]

Für den liecht. Arbeiterverband

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[1] LI LA RE 1921/4526 ad 1379. Stempel der Zentralverwaltung des Liechtensteinischen Arbeiterverbandes. Eingangsstempel der Regierung vom 13.10.1921. Stenographische Bemerkungen. Vgl. den Abdruck des Schreibens in: O.N., Nr. 81, 19.10.1921, S. 2(„Arbeiterverein“). 
[2] Vgl. die Eingaben des Arbeiterverbandes an die Regierung vom 15.7.1921 bzw. 14.9.1921 gegen das „unannehmbare“ und „revisionsbedürftige“ „Klassensteuergesetz“ von 1920/1921 (Finanzgesetz)  bzw. für die gesetzliche Festlegung eines schon durch Art. 24 Abs. 1 der neuen Verfassung vom 5. Oktober 1921 vorgesehenen Existenzminimums (LI LA RE 1921/3211; LI LA RE 1921/4195 ad 3211). Vgl. etwa auch O.N., Nr. 68, 3.9.1921, S. 2 („Arbeiter“). Vgl. die Verordnung vom 29.3.1921 betreffend die Einhebung der gemäss Art. 3 lit. C des Finanzgesetzes vom 31.1.1921, LGBl. Nr. 4, vom Lohneinkommen zu entrichtenden 2 %igen Einkommen- (Klassen-) Steuer, LGBl. 1921 Nr. 6.    
[3] Vgl. das Antwortschreiben der Regierung an den Arbeiterverband vom 15.10.1921 (LI LA 1921/4526 ad 1379). Vgl. auch O.N., Nr. 88, 16.11.1921, S. 2 („Arbeiterverband“)