Das Textilunternehmen Adolf Schwab ersucht die Regierung um die Befreiung der im Veredlungsverkehr hergestellten Papiergewebe von der Ausfuhrtaxe nach Österreich


Maschinenschriftliches Schreiben der Firma Adolf Schwab, Hammersteiner Weberei und Spinnerei AG, gez. vermutlich Fabrikdirektor Hermann Wenzel, an die Regierung [1]

28.10.1920, Schaan

Hohe Fürstlich Liechtensteinische Regierung Vaduz

Die gefertigte Firma hat in Erkenntnis der Notlage ihrer Arbeiterschaft, während und nach der Kriegszeit, in den Jahren 1918 & 1919, als Ersatz der fehlenden Baumwollgarne, aus der Spinnerei Theresiental bei Gmunden, Firma Samuel Singers Erben, somit von einer zu ihr verwandten Firma, [2] Papiergarne bezogen u. dieselben in der Weberei Mühleholz [3] zu Papiergeweben verarbeiten lassen.

Im vollsten Sinne des Wortes hatte diese Aktion nur den Zweck, den Arbeitern den Verdienst zu erhalten u. ist infolgedessen als Notstandsarbeit zu betrachten.

In Kürze sei nochmals klargelegt, dass die Garne aus unserer Spinnerei in das Fürstentum eingeführt, dieselben hier verwoben wurden u. das fertige Produkt wieder ausgeführt werden soll, weil hierzulande kein Bedarf an solchen Waren vorliegt.

Die Lieferung der Garne fällt somit in die Zeit vor der Ausgabe N. 7 der Verordnung v. 21. Juli 1920, [4] wo nach § 3 betreffend den Veredlungsverkehr ein Vermerk [5] vorgesehen ist.

Die ergebenst Gefertigte bittet daher die Hohe Regierung, in Anbetracht der Tatsache, dass der hier erzeugte u. zur Ausfuhr bereitliegende Posten Papiergewebe keinen Nutzen abwirft, den § 4 der Verordnung [6] nicht zur Geltung zu bringen, sondern den § 3, besonders den letzten Absatz [7] desselben zu berücksichtigen u. von einer Ausfuhrtaxe von 5 % des Fakturenwertes freundlichst absehen zu wollen.

Einer wohlwollenden Prüfung u. baldigen Erledigung dieser Angelegenheit sieht die Gefertigte gerne entgegen [8] u. zeichnet mit gewohnter Hochachtung

ergebenst

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[1] LI LA RE 1920/4987.
[2] 1936 fusionierte die Hammersteiner Weberei und Spinnerei AG mit der Theresienthaler Baumwollweberei und Spinnerei AG.  
[3] Die Weberei und Spinnerei Schwab im Vaduzer Mühleholz war die Nachfolgerin der im Januar 1918 gelöschten Firma Gebrüder Rosenthal AG.
[4] Verordnung vom 21.7.1920 betreffend die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Waren, LGBl. 1920 Nr. 7. Vgl. auch die Verordnung vom 16.10.1919 betreffend die Neuregelung der Ein- und Ausfuhr von Waren jeder Art, LGBl. 1919 Nr. 11.
[5] Nach § 3 Abs. 1 der genannten Verordnung von 1920 mussten im Veredlungsverkehr ein- oder ausgeführte Waren in der Aus- und Einfuhr besonders vorgemerkt werden.
[6] Gemäss § 4 Abs. 1 dieser Verordnung blieben für die Ausfuhr von Waren bis auf weiteres die bestehenden Vorschriften mit der Massgabe in Kraft, dass in den Fällen, wo nicht Übereinkommen mit anderen Staaten entgegenstanden oder für einzelne Waren etwas anderes bestimmt war, wie bisher einstweilen eine Ausfuhrtaxe von 5 % des Rechnungswertes zu entrichten war.
[7] Die Zurückbringung der Waren im Veredlungsverkehr hatte nach § 3 Abs. 2 der Verordnung in angemessener Frist zu erfolgen, sofern nicht seuchenpolizeiliche Vorschriften dies verboten.
[8] Die Regierung bzw. Regierungschef Josef Peer teilte dem Textilunternehmen Schwab mit Schreiben vom 8.11.1920 mit, dass hinsichtlich der Papiergewebe, welche aus den 1918 und 1919 von der Spinnerei Theresienthal bezogenen Papiergarnen erzeugt worden waren, von einer Ausfuhrtaxe abgesehen werde. – 1923 musste der Betrieb im Mühleholz eingestellt werden: Zur Ausfuhr der Fabrikswebstühle ins Ausland vgl. das Schreiben des Unternehmens Schwab an die Regierung vom 25.9.1923 (LI LA RE 1923/3074 ad 2700).