Eduard von Liechtenstein informiert Regierungschef Josef Peer über Hans Barth, der dank Hochstapelei einen Diplomatenpass erhalten hat


Maschinenschriftlicher Brief der liechtensteinische Gesandtschaft in Wien an Regierungschef Josef Peer, gez. Eduard von Liechtenstein. [1]  

8.11.1920

[Vertraulich]

Geehrter Herr Hofrat!

Zu Ihrem Schreiben Zahl 148/Präs. in der Causa [Hans] Barth bitte ich noch Folgendes zur Kenntnis zu nehmen: Wenn ich in meinem Berichte gesagt habe, dass ich Barth einen Diplomatenpass ausstellte, so ist dieses „ich“ aus dem Verantwortlichkeitsgefühl des Chefs heraus akzeptiert und von [Alfred von] Baldassin das Konzept gesetzt. Tatsächlich verhielt sich die Sache so, dass ich Baldass, als er mir den bezüglichen Wunsch Barths mitteilte, rundweg erklärte „Werfen Sie ihn mit diesem Wunsche hinaus.“ Baldass versuchte das auch, worauf Barth den im Berichte erwähnten Spektakel machte. Baldass liess sich einschüchtern und versprach ihm den Diplomatenpass. Ich weiss nicht mehr, ob er ihn unterschrieb oder ob er ihn mir nachher zum Unterschreiben brachte, jedenfalls weiss ich, dass ich lebhaftestens dagegen protestierte und dass Baldass auf mich damit einzuwirken versuchte, dass eben jetzt nichts mehr zu ändern sei und das Versprechen eingelöst werden müsse, es nicht gut sei, sich Barth zum Feinde zu machen und im Lande eine neue Hetze gegen meine Person zu provozieren u.s.w.. Ich gab Baldass den Auftrag im Staatsamte für Äusseres die Vidierung gar nicht zu unterstützen, sondern, wenn Schwierigkeiten gemacht würden, dies ruhig zur Kenntnis zu nehmen und uns so die Möglichkeit zu geben, Barth zu sagen, das Äussere habe den Diplomatenpass nicht vidiert und ein Laissez passer verlangt. Der gute Baldass versprach mir dieses Verhalten im Äussern, kam aber dann doch mit dem vidierten Pass zurück und scheint sich recht stark dafür eingesetzt zu haben, allerdings immer in der besten Absicht mir keinerlei Unannehmlichkeiten durch Barth zu verschaffen. Meiner Natur entspräche ja allerdings mehr Offenheit und energisches Hinauswerfen von Jemandem, den man hinauswerfen will, aber bei den Verhältnissen im Lande, der doch ziemlich schlaffen Energie der letzten Zeiten und dem geringen Halt, den man beim Herrscher [Johann II.] findet, weiss man ja faktisch nicht, soll man nachgeben oder soll man mit der Faust auf den Tisch schlagen.

Wenn Sie in Ihrem Schreiben bemerken, dass Ihnen auffiel, dass Barth hier aus- und einginge, so kann ich nur betonen, dass Präsident [Friedrich] Walser ihn herschleppte, als er das erstemal in Wien war. Ich habe Barth auch dann durch Monate nicht kennen gelernt und auch gar nichts von ihm gewusst. Ich sah ihn zum erstenmal anlässlich der Ankunft von Fritz Walser und Wilhelm Beckfür die Bankkonferenzen, wo ich ihn im Zimmer von Baldass mit den Herren traf. Er war Zeuge des Zornausbruches Becks, als er hörte, dass auch [Eugen] Nipp für den nächsten Tag erwartet werde und weder Walser noch Beck nahmen sich vor Barth ein Blatt vor den Mund. Ich lernte Barth damals kennen und war es mir noch recht peinlich, einen Fremden, von dem ich übrigens glaubte, er sei Liechtensteiner, bei dieser Szene zu sehen, aber Tatsache ist, dass Barth damals einen sehr guten und beruhigenden Einfluss auf Beck ausübte. Dann kam Ihre Kandidatur, die ja Barth als erster aufwarf und den Herren suggerierte, wie ich später hörte. Seit dieser Zeit treibt er sich allerdings gerne hier herum und konnte ich, der ich ihn in der ersten Zeit auch nach meiner persönlichen Bekanntschaft nie sprach, ihm auch nicht mehr einen Empfang verweigern und jetzt seitdem er mit der Affaire Gamprin und Vorarlberger Almen offiziell vom Lande betraut ist und die Wünsche von Ferdinand Walser und anderen zu vertreten hat, ist kaum anzubringen. Er hat mir allerdings auch sehr wertvolles Material über die Stimmungen und Auffassungen im Lande und über das, was über mich gelogen wird, geliefert und wünscht sehr, dass ich dagegen Stellung nehme, speziell in der Kupfersache, findet aber andererseits dass meine Artikelserie im Volksblatte ein Fehler war. Jetzt spielt er mir gegenüber zweifellos die Rolle des Mannes, der sieht, dass mir viel Unrecht geschieht und dass die Dinge ganz anders waren, als sie erzählt werden. Ob er mir aber wirklich freundlich gesinnt ist, weiss ich nicht, kann ihn aber auch sehr schwer vor den Kopf stossen.

Ich habe unlängst einen der Herren der österr. Warenverkehrsstelle in Bern gesprochen, über welche Barth furchtbar loszog und gegen welche er mit Enthüllungen droht. Dieser Herr sagte mir, er erinnere sich, dass Barth ihnen einmal von irgend einer Seite sehr empfohlen wurde, man möge ihm ein Geschäft ermöglichen. Er bekam dann auch eine grosse Schokoladelieferung und hat dann einen Brief an seine Mutter geschrieben, worin er sich sehr patzig machte, dass er mit dem Prinzen Lobkowitz, Grafen Khevenhüller, Grafen Palffy, kurz lauter Herren, die diplomatisch oder kommerziell-militärisch dort in Verwendung standen, diniere und mit ihnen ein grosses Geschäft der Belieferung der Schweiz mit Zwiebeln vorhabe. Seine Mutter solle ihm schreiben, was sie an Zwiebeln liefern könne. Der Brief wurde bei der Zensur aufgegriffen und nach Bern geschickt. Barth hatte mit den genannten Aristokraten nicht die mindeste Verbindung, geschweige, dass er mit ihnen diniert hätte. Sie hatten in Bern von ihm den Eindruck eines Grössenwahnsinnigen, aber sonst ganz gescheiten Menschen. Von einer Ausweisung aus der Schweiz ist meinem Gewährsmann nichts bekannt. Man habe mit ihm weder gute noch böse Erfahrungen gemacht.

Jetzt will Barth von mir erreichen, dass ich für ihn ein Telefon durchsetze unter dem Motto, dass die Gesandtschaft fort mit ihm zu tun habe und weiters will er 1000 Markensätze haben, in welcher Hinsicht er [Josef] Hoop und Baldass bereits schwer bedrängt. Er hat sich eben wieder bei mir telefonisch angefragt, ob er in diesen 2 Angelegenheiten zu mir kommen könne. Ich erwarte mit Ungeduld Ihre angekündigten Mitteilungen über das Resultat Ihrer Erhebungen, damit man endlich klar werde, wie sich ihm gegenüber zu benehmen ist. Dass er aber sehr gefährlich werden kann, wenn man ihn brüskiert und vielleicht gefährlicher als er jetzt ist, scheint mir zweifellos, und bei der Charakterstärke verschiedener politischer Herren im Lande ist sehr zu überlegen, wie man hier vorgeht und dürfte sich das vorherige Einverständnis speziell von Herrn Fritz Walser, wo möglich vor Zeugen, zu beschaffen sein. Herr Dr. Hoop erstirbt in Angst vor Barth und obwohl ich Markenabgabe durch Hoop immer wieder verbiete, scheint er ihm öfters einige Sätze Marken zu liefern, die er selbst sich wieder von der Verschleissstelle gegen 10% über das Nominale einholt, was mir offen gestanden auch nicht recht ist, aber schwer einzustellen, so lange [Ferdinand] Nigg ganz offen Markenhändler ist.

Der fürstliche Gesandte

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[1] LI LA SF 01/1920/161. Aktenzeichen der Gesandtschaft 776/5.