Das Eidgenössische Politische Department ersucht um das Einverständnis der liechtensteinischen Regierung zur Anwendbarkeit des Bundesgesetzes von 1922 über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben im Rahmen des Zollanschlussvertrages


Maschinenschriftliche Note der Abteilung für Auswärtiges des Eidgenössischen Politischen Departements, Unterschrift unleserlich, an die liechtensteinische Gesandtschaft in Bern [1]

13.9.1923, Bern

Der Fürstlich Liechtensteinischen Gesandtschaft beehrt sich das Eidgenössische Politische Departement im Anschluss an seine Note vom 31. August d. J. [2] mitzuteilen, dass das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ihm zur Kenntnis gebracht hat, dass den in Anlage I zum liechtensteinisch-schweizerischen Zollanschlussvertrag vom 29. März 1923 [3] aufgeführten bundesrechtlichen Erlassen [4] ein weiteres Bundesgesetz beizufügen ist.

Es handelt sich um das Bundesgesetz über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben vom 31. März 1922. Allerdings ist dieses Gesetz heute noch nicht in Wirksamkeit getreten, doch wird es durch die Vollzugsverordnung vom 15. Juni 1923 auf den 1. Oktober 1923 in Kraft gesetzt. Da dieses Gesetz eine Erweiterung des Arbeiterschutzes darstellt, wie er für industrielle Betriebe bereits im Fabrikgesetz geregelt wurde, so ist es ebenfalls unter die in Liechtenstein anwendbare Arbeiterschutzgesetzgebung [5] aufzunehmen.

Indem das Departement als Anlage das vorerwähnte Bundesgesetz vom 31. März 1922 nebst der Vollzugsverordnung vom 15. Juni 1923 beifügt, darf es die Fürstliche Gesandtschaft ersuchen, ihre Regierung von Vorstehendem zu unterrichten und eine Erklärung ihres Einverständnisses geneigtest herbeiführen zu wollen. [6]

Das Departement benützt den Anlass, die Fürstliche Gesandtschaft erneut seiner ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

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[1] LI LA V 002/0310/02 (Aktenzeichen des Eidgenössischen Politischen Departements: B 14/24 P.4/III –FI). Die erwähnten 2 Beilagen finden sich nicht in der Akte; das schweizerische Bundesgesetz vom 31.3.1922 über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben sowie die Vollzugsordnung vom 15.6.1923 zum Bundesgesetz liegen jedoch unter LI LA RE 1926/0753 vor; ebenso das diesbezügliche Kreisschreiben des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements an die Kantonsregierungen.
[2] Vermutlich die Note betreffend die Anwendbarkeit des Bundesratsbeschlusses vom 30.8.1918 über Ursprungsausweise (LI LA V 002/300/67 (Aktenzeichen des Eidgenössischen Politischen Departements: B 14.24.P4. – GO. Aktenzeichen der liechtensteinischen Gesandtschaft in Bern: 864)).   
[3] Vertrag vom 29.3.1923 zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet, LGBl. 1923 Nr. 24.
[4] Es handelte sich u.a. um die eidgenössische Fabrikgesetzgebung, insbesondere um das Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken vom 18.6.1914, abgeändert durch das Bundesgesetz betreffend die Arbeitszeit in den Fabriken vom 27.6.1919, sowie um die Verordnung vom 3.10.1919 über den Vollzug des Bundesgesetzes betreffend die Arbeit in den Fabriken. Vgl. in diesem Zusammenhang die Art. 89-102 des liechtensteinischen Einführungsgesetzes vom 13.5.1924 zum Zollvertrag, LGBl. 1924 Nr. 11.     
[5] Nach Art. 4 Abs. 1 des Zollanschlussvertrages findet im Fürstentum Liechtenstein die gesamte schweizerische Zollgesetzgebung in gleicher Weise wie in der Schweiz Anwendung; die übrige Gesetzgebung, soweit der Anschluss ihre Anwendung bedingt. 
[6] Die Einverständniserklärung der liechtensteinischen Regierung liess in der Folge auf sich warten: Am 23.9.1926 wandte sich das Eidgenössische Politische Departement deshalb erneut an die liechtensteinische Gesandtschaft in Bern (LI LA V 002/0310/18), nachdem zuvor bereits das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement bzw. der Leiter der Abteilung für Industrie und Gewerbe, Franz Kaufmann, am 25.2.1926 bei der liechtensteinischen Regierung vorstellig geworden war (LI LA RE 1926/0735 ad 0753). Am 6.10.1926 erklärte sich die liechtensteinische Regierung bzw. Regierungschef Gustav Schädler mit der Anwendung dieses Bundesgesetzes in Liechtenstein einverstanden (LI LA V 002/310/20). – Das gegenständliche Bundesgesetz sowie die Vollziehungsverordnung dazu wurde allerdings erst in der liechtensteinischen Bekanntmachung vom 26.11.1934 betreffend die Neuausgabe der Anlagen I und II zum Vertrage über den Zollanschluss des Fürstentums Liechtenstein an die Schweiz, LGBl. 1934 Nr. 11, angeführt.