Ausscheiden Oesterreichs und Liechtensteins aus dem deutschen Münzvertrag vom 24. Jänner 1857


Vertrag betreffend das Ausscheiden des Kaiserthumes Oesterreich und des Fürstenthumes Liechtenstein aus dem deutschen Münzvertrage vom 24. Jänner 1857[1].

vom 13. Juni 1867[2]

Wir Franz Joseph der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich; König von Un­garn und Böhmen, von Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Galizien, Lodomerien und Illyrien; Erzherzog von Oesterreich; Grossherzog von Krakau; Herzog von Lothringen, Salzburg, Steyer, Kärnthen, Krain, Bukowina, Ober- und Nieder-Schlesien; Grossfürst von Siebenbür­gen; Markgraf von Mähren; gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol; Grosswojwod der Wojwodschaft Serbien etc. etc. etc.

thun kund und bekennen hiemit:

Nachdem zwischen Unserem zugleich in Vertretung des souverainen Fürsten zu Liech­tenstein handelnden Bevollmächtigten einerseits, und den Bevollmächtigten der deutschen Münzvereinsstaaten anderseits, zum Zwecke der Ausscheidung Oesterreichs und Liechten­steins aus dem Münzvertrage vom 24. Jänner 1857 zu Berlin am 13. Juni 1867 ein aus fünf Artikeln nebst zwei Separat-Artikeln bestehender Vertrag abgeschlossen und unterzeichnet worden ist, welcher lautet, wie folgt:

Nachdem die kaiserlich österreichische und die königlich preussische Regierung überein­gekommen sind, die im Artikel XIII des Prager Friedensvertrages vom 23. August 1866[3] vorbehaltenen Verhandlungen wegen Aufhebung des Münzvertrages vom 24. Jänner 1857, und zwar:

die kaiserlich österreichische Regierung für sich, sowie im Namen und in Vertretung der fürstlich Liechtenstein’schen Regierung,

die königlich preussische Regierung für sich, sowie im Namen und in Vertretung der kö­niglich bayerischen, der königlich sächsischen, der königlich würtembergischen, der gross­herzoglich badischen, der grossherzoglich hessischen, der grossherzoglich sächsischen, der grossherzoglich oldenburgischen, der herzoglich Sachsen-Meiningen’schen, der herzoglich Sachsen-Koburg-Gotha’schen, der herzoglich Sachsen-Altenburg’schen, der herzoglich braunschweigischen, der herzoglich Anhalt’schen, der fürstlich Schwarzburg-Sonders­hausen’schen, der fürstlich Schwarzburg-Rudolfstadt’schen, der fürstlich Waldeck- und Pyr­mont’schen, der fürstlich Reuss’schen ä.L., der fürstlich Reuss’schen j.L., der fürstlich Schaumburg-Lippe’schen und der fürstlich Lippe’schen Regierung,   
nunmehr zu eröffnen, so sind zu diesem Zwecke zu Bevollmächtigten ernannt worden,

von Seiner Majestät dem Kaiser von Oesterreich,          
            Allerhöchst Ihr wirklicher geheimer Rath und Staatsrath, Mitglied des Herrenhauses Dr. Carl Freiherr von Hock,

von Seiner Majestät dem Könige von Preussen,            
            I. Allerhöchst Ihr wirklicher geheimer Ober- Finanzrath und Ministerial-Director William Guenther,       
            II. Allerhöchst Ihr geheimer Ober-Finanzrath Johann Gustav Rudolph Meinecke,

welche nach geschehener Auswechslung und gegenseitiger Anerkennung ihrer Voll­machten, unter dem Vorbehalte der Ratification folgenden Vertrag abgeschlossen haben:

Artikel 1

Der zwischen dem Kaiserthume Oesterreich und dem Fürstenthume Liechtenstein einer­seits und dem Königreiche Preussen und den übrigen durch die Münz-Convention vom 30. Juli 1838 verbundenen Staaten anderseits unter dem 24. Jänner 1857 abgeschlossene Münz­vertrag tritt in Bezug auf das Kaiserthum Oesterreich und das Fürstenthum Liechtenstein mit dem Ablaufe des Jahres 1867 dergestalt ausser Wirksamkeit, dass mit diesem Zeitpuncte alle nach jenem Vertrage, den dazu gehörigen Separat-Artikeln und dem Schlussprotokolle vom 24. Jänner 1857 dem Kaiserthume Oesterreich und dem Fürstenthume Liechtenstein gegen die übrigen Vereinsstaaten, und umgekehrt den übrigen Vereinsstaaten gegen das Kaiserthum Oesterreich und das Fürstenthum Liechtenstein zustehenden Rechte und oblie­genden Pflichten erlöschen, soweit nicht der gegenwärtige Vertrag Ausnahmen bestimmt.

Artikel 2

Die vertragenden Regierungen werden den bis zum Schlusse des Jahres 1867 nach den Bestimmungen des Münzvertrages vom 24. Jänner 1857 geprägten Vereinsthalern und Dop­pelthalern die ihnen im Artikel 8 des eben genannten Vertrages beigelegte Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels vor dem Ablaufe des Jahres 1870 nicht entziehen, soferne sie nicht in der Zwischenzeit zu einem anderen, als dem jetzt bestehenden Münzsysteme über­gehen.

Artikel 3

Im Falle der Einführung eines anderen Münzsystems werden die betreffenden Regierun­gen den übrigen Theilnehmern an dem gegenwärtigen Vertrage von dem Zeitpuncte der beabsichtigten Aenderung drei Monate zuvor Kenntniss geben. Mit diesem Zeitpuncte er­lischt die im Artikel 2 übernommene Verbindlichkeit in Bezug auf die ihr Münzsystem ändernden Regierungen. Dagegen werden die eben gedachten Regierungen alsdann die Einlösung der Vereinsthaler und Doppelthaler ihres Gepräges wenigstens noch bis zum 1. April 1871 bewirken. In Bezug auf die Einlösung sollen für die Angehörigen der übrigen, jetzt zum Münzvereine gehörigen Staaten nicht ungünstigere Bedingungen gestellt werden, als für die Angehörigen desjenigen Staates, in welchem die Aenderung des Münzsystems erfolgt. Auch sollen, um den Angehörigen jener Staaten die Einlösung zu erleichtern, in den bezüglichen Gränzdistricten an geeigneten Orten Einlösungsstellen errichtet werden.

Artikel 4

 

Das im Artikel 25 des Vertrages vom 24. Jänner 1857 erwähnte, dem Handels- und Zoll­vertrage vom 19. Februar 1853[4] als Beilage IV angereihte Münz-Cartel bleibt bis zum Ablaufe des Jahres 1878 für alle Theilnehmer an dem Vertrage vom 24. Jänner 1857 unverändert in Kraft.

Artikel 5

Die Ratification des gegenwärtigen Vertrages soll so bald als möglich erfolgen, und es sollen die Ratifications-Urkunden demnächst in Berlin ausgewechselt werden.

Zu Urkund dessen ist dieser Vertrag von den beiderseitigen Bevollmächtigten unter­schrieben und besiegelt worden.

Berlin, den 13. Juni 1867.

(L. S.) Dr. Carl Freiherr von Hock m. p. (L. S.) William Guenther m. p.  
            (L. S.) Johann Gustav Rudolph Meinecke m. p.

 

Separat-Artikel

Bei Abschluss des Vertrages vom heutigen Tage, betreffend das Ausscheiden des Kaiserthumes Oesterreich und des Fürstenthumes Liechtenstein aus dem deutschen Münz­verein, sind von den unterzeichneten Bevollmächtigten noch folgende besondere Artikel verabredet worden, welche dieselbe Kraft und Giltigkeit wie der Hauptvertrag haben, und durch die Ratification des Hauptvertrages als mitratificirt erachtet werden sollen.

Artikel I

Die vertragenden Regierungen werden den Umlauf der von anderen Vereinsstaaten aus­ser den Vereinsthalern und Doppelthalern bis zum Schlusse des Jahres 1867 nach den Bestimmungen des Vertrages vom 24. Jänner 1857 geprägten groben Silbermünzen (Artikel 6 am angeführten Orte), so weit solcher gegenwärtig im Privatverkehr unbehindert ist, bis zum Ablaufe des Jahres 1870 nicht untersagen, es sei denn, dass sie durch die Aenderung ihres Münzsystems oder durch Massnahmen der betreffenden Regierungen in Bezug auf deren Münzverhältnisse dazu veranlasst werden.

Artikel II

Im Falle des Ueberganges zu einem anderen Münzsystem übernehmen die vertragenden Regierungen hinsichtlich der groben Silbermünzen ihres Gepräges dieselben Verpflichtun­gen, welche sie für diesen Fall im Artikel 3 des offenen Vertrages vom heutigen Tage hin­sichtlich der Vereinsthaler und Doppelthaler übernommen haben.

Berlin, den 13. Juni 1867

Dr. Carl Freiherr von Hock m. p.          William Guenther m. p 
            Johann Gustav Rudolph Meinecke m. p.

So haben Wir nach Prüfung sämmtlicher Bestimmungen dieses Vertrages denselben gut­geheissen und genehmigt, und versprechen auch mit Unserem kaiserlichen Worte für Uns und Unsere Nachfolger, denselben seinem ganzen Inhalte nach getreu zu beobachten und beobachten zu lassen.

Zu dessen Bestätigung haben Wir die gegenwärtige Urkunde eigenhändig unterzeichnet, und selber Unser kaiserliches Insiegel beidrücken lassen.

So geschehen in Unserer kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt Wien am dritten Tage des Monats Juli im Jahre des Heils Eintausend Achthundert sieben und sechzig, Unserer Reiche im Neunzehnten.

 

Franz Joseph m. p.       L.L.

 

Freiherr von Beust m. p.

Auf Allerhöchsten Befehl Seiner k.k. Apostolischen Majestät:

Maximilian Freiherr von Gagern m. p., k.k. Hof- und Ministerialrath

______________

[1] Textwiedergabe nach dem österreichischen Reichs-Gesetz-Blatt vom Jahre 1857, Nr. 101.
[2] Abgeschlossen in Berlin am 13. Juni 1867; von Seiner k.k. Apostolischen Majestät ratificirt am 3. Juli 1867. Die k.k. österreichischen Ratificirungen wurden in Berlin am 31. August 1867 und die fürstlich Liechtenstein’schen am 17. September 1867 ausgewechselt.
[3] Reichs-Gesetz-Blatt 1866 Nr. 103, S. 247 ff. Art. XIII. lautet: „Alle zwischen den hohen vertragsschliessenden Theilen vor dem Kriege abgeschlossenen Verträge und Uebereinkünfte werden, insoferne dieselben nicht ihrer Natur nach durch die Auflösung des deutschen Bundesverhältnisses ihre Wirkung verlieren müssen, hiermit neuerdings in Kraft gesetzt. Insbe-sondere wird die allgemeine Cartell-Convention zwischen den deutschen Bundesstaaten vom 10. Februar 1831, sammt den dazu gehörigen Nachtragsbestimmungen ihre Giltigkeit zwischen Oesterreich und Preussen behalten. Jedoch erklärt die k.k. österreichische Regierung, dass der am 24. Jänner 1857 abgeschlossene Münzvertrag durch die Auflösung des deutschen Bundesverhältnisses seinen wesentlichsten Werth für Oesterreich verliere, und die königl. preussische Regierung erklärt sich bereit, in Verhandlungen wegen Aufhebung dieses Vertrages mit Oesterreich und den übrigen Theilnehmern an denselben einzutreten.
Desgleichen behalten die hohen Contrahenten sich vor, über eine Revision des Handels- und Zollvertrages vom 11. April 1865 im Sinne einer grösseren Erleichterung des gegenseiti-gen Verkehres sobald als möglich in Verhandlung zu treten. Einstweilen soll der gedachte Vertrag mit der Massgabe wieder in Kraft treten, dass Jedem der hohen Contrahenten vorbehalten bleibt, denselben nach einer Ankündigung von sechs Monaten ausser Wirksamkeit treten zu lassen.“
[4] Reichs-Gesetz-Blatt vom Jahre 1853, Nr. 207.