Johann Franz Paur [Bauer] berichtet dem Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein, dass er begonnen hat Most im Weinkeller der Brandstatt des Hubhauses einzulagern und deshalb den Ratsleuten von Feldkirch Rede und Antwort geben musste.


Durchleuchtigester fürst.

Gnädigester fürst und herr, herr, etc., etc.[1]

Nachdeme freytags letst verwichen in dem newen ambtskeller im Alten Huebhauß mosst einzulegen angefangen, kommet sogleich eine abermahlige deputation[2], und zwar neben dem herren stattschreiber der allte seckhelmaister Zipper, vor- und anbringende, es hette herr ambtsstattamman und einige zue sich gezogene herren ihnen beeden anbefohlen, mir in dero namen ihren diennst und grues zue sagen und weilen eine beyfuhr zimlich großer quantiät mossts wahrgenommen wurde, verlangten sye zue wissen, ob durchleuchtigiste meine gnedigste herrschafft solliche außzäpffen zue lassen, oder sonnsten zu versilberen intentioniert[3] were, solte dises letstere gemaint sein, so stuende mann nit ahn, zue ewr hochfürstlich durchlaucht underthenigisten gefallen solliche in die statt zue lassen, wolte mann dann auf das erstere antragen, müesste mann sollichen passieren zu lassen, bedenckhen tragen, ehebevor mann eine sinceration[4] vernommen hette, wie ewr hochfürstlich durchlaucht sich des umbgelts[5] halber explicieren[6] wollten. Hierauff habe mit gleichen / gegen complement die herren deputierte beladen, ihnen beeden aber compatieret[7], das, wo ich nemblichen mit herrschafftlichem mosst noch umbgienge, man schon wissen wollte, wie der weinverschleiss beschechen möchte, indeme ich hierinnfahls nit allein keinen befelch hette, sonder was seiner zeit beschechen müesste, meinerseiths gehorsammest zu erwarthen were, bevorab ich nit glaubete, das von herrschafftweinen vor 5, 6 und mehr jahren etwas ahn das liecht kommen würde. Biß dahin sich etwa die gemüether näher explicieren könten, oder dem magistrat bevorstuende, bey gnedigister herrschafft sich selbsten gleich iezt zue informieren. Warnach sye, deputierte, wider abgeschiden und ich mit einligung mosstes ungehinderet fortgefahren.

Früe morgens zuvor habe einen kayserlich oberösterreichischen schuzwohnenden juden Abrahamb Leviten[8] von Sulz[9] umb verhelffung zue ainem aigenen weinschlauch zue mir in keller berueffen. Diser ehender, als er / meine intention vernemmete, sagte gleich, iezt were er auch widerumb im judenkeller, und von der zeit, als er wein daselbsten gehabt, niemahlen mehr dahin kommen. Yber dises stuzete ich, post intervallum[10] befragte ihne, ob dann er wein darinnen gehabt und was darmit gethan hette? Item[11] ob es mit wissen der statt und ohne verhinderung geschechen were? Ille[12] andtworthete mit ia, hette vil fueder[13] außgeschenckht und fuederweiß verkhaufft, vom außschenckhen aber das umbgelt bezalt, und ybrigens mitnichten verhinderet worden, welliches dann statt- und landtkhündig were etc. Auß wellichem ewr hochfürstlich durchlaucht gnedigst ersehen können, wohin auß diser hochweyse magistrat wolle, von derentwegen dann höchst nöthig zue sein scheinen will, ohne anders mit kayserlicher allergnedigsten befelchen den fernern curs zue stellen, warüber dann in einen oder anderen die fernere gnedigste verordnung gehorsambest erwarthe und verharre.

Eur hochfürstlich durchlaucht.

Veldtkhirch[14], den 25. Octobris anno[15] 1700.

Underthänigster, threw gehorsamster diener.

Johann Franz Paur[16], manu propria[17]. /

[Rubrum]

Præsentatum[18], den 6. Novembris anno 1700. Schellenbergischer verwalter in puncto[19] des Hubhauß brandtstatt und most einlegung.

[Adresse]

[Adresse]

Dem durchleuchtigesten fürsten und herren, herren Johann Adam Andreas, des Heyligen Römischen Reichs[20] fürsten und regiereren des hauß Liechtenstein von Nickholspurg[21], in Schleßien[22] herzogen zue Troppaw[23] und Jägerndorff[24], ritteren deß Guldenen Flüss[25], der römisch kayserlichen mayestät[26] etc. etc., würckhlichen gehaimen rath und cammereren, etc. Ihro durchlaucht, meinem gnedigisten herren.

Wien per[27] Feldtsperg[28][a]

Franco ½

 


 

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[1]Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 127.

[2]Abordnung.

[3]beabsichtigen.

[4]aufrichtige Beteuerung.

[5] (Getränke-)Steuer. 

[6]erklären.

[7]mitgefühlt.

[8] Abraham Levi (1651–1738) war ein Sohn von Josle Levi, welcher ab 1642 der Hohenemser Judengemeinde als Judenammann vorstand. Abraham beschäftigte sich hauptsächlich mit dem Pferdehandel und belieferte die Grafen von Hohenems. Vgl. Berhard Purin, Die Juden von Sulz. Eine jüdische Landgemeinde in Vorarlberg 1676–1744, in: Studien zur Geschichte und Gesellschaft Vorarlbergs 9, hrsg. mit der Johann-August-Malin-Gesellschaft, Vorarlberger Autoren-Gesellschaft 1991, S. 25.

[9]Sulz, Gem. in Vorarlberg (A).

[10]nach einer Zeit.

[11]Auch.

[12]Jener.

[13]Fuder = altes Hohlmaß.

[14]Feldkirch (A).

[15]im Jahr.

[16]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1700 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA, H 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.

[17]eigenhändig.

[18]Vorgelegt.

[19]wegen.

[20] Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den kaiserlichen Herrschaftsbereich vom Mittelalter bis zum Jahre 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen Herrscher ab, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes Heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Zur Unterscheidung vom 1871 gegründeten Deutschen Reich wird es auch als das Alte Reich bezeichnet. Vgl. Klaus Herbers, Helmut Neuhaus, Das Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843–1806). Böhlau-Verlag, Köln-Weimar 2005.

[21]Nikolsburg (Mikulov), Stadt (CZ).

[22]Schlesien ist eine Region in Mitteleuropa.

[23]Troppau (Opava) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Troppau (CZ).

[24] Jägerndorf (Krnov) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Jägerndorf (CZ).

[25] Der Orden vom Goldenen Vlies (Flüss) ist ein burgundischer Ritterorden.

[26]Leopold I. (9. Juni 16405. Mai 1705) aus dem Hause Habsburg, war von 1658 bis 1705 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches sowie König von Ungarn (ab 1655), Böhmen (ab 1656), Kroatien und Slawonien (ab 1657). Vgl. Kerry R. J. Tattersall, Leopold I., Wien 2003.

[27]über.

[28] Feldsberg (Valtice), Stadt (CZ).

 


[a]Darüber ist ein rotes Lacksiegel aufgedrückt.