Hofdekret[1]
[betr. Abänderung von § 88 ABGB][2]
vom 22sten September 1821
an das Galizische Appellations-Gericht, einverständlich mit der vereinten Hofkanzley
Ueber die Frage: wie in Fällen vorzugehen sey, wenn ein Pupill ohne Einwilligung der Vormundschafts-Behörde sich verehelicht, das Landrecht dieses Ehehinderniss von Amts wegen untersucht, durch die nachträglich ertheilte Einwilligung behoben, sohin das Kreisamt wegen Wiedereinsegnung dieser Ehe um die nöthige Verfügung ersucht, dieses aber so, wie das Gubernium, die Wiedereinsegnung verweigert hat, wird bedeutet: dass
a) nicht bloss der Vormund, sondern auch die Vormundschafts-Behörde berechtiget sey, die Gültigkeit einer ohne ihre Einwilligung von Minderjährigen geschlossenen Ehe, zu Folge der §§ 94 und 96 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches zu bestreiten; dass jedoch
b) in Hinsicht des Verfahrens, welches in solchen Fällen zu beobachten wäre, im Allgemeinen keine Weisung ertheilt werden könne, sondern der Klugheit und Umsicht des Richters überlassen werden müsse, wie in jedem einzelnen Falle vorzugehen sey; weil der Richter sich nicht mehr in der Lage befindet, wie bey einer erst einzugehenden Ehe, sondern über manche Rücksichten, welche früher auf sein Urtheil hätten Einfluss nehmen dürfen, hinaus gehen, und sein Augenmerk nunmehr dahin richten muss, ob er unter den vorwaltenden Umständen die Bewilligung ertheilen könne. Diese hat er nur dann zu verweigern, wenn sehr wichtige Gründe ihn dazu auffordern. Ueberhaupt soll die Vormundschafts-Behörde sich ihres Befugnisses, die Ehe zu bestreiten, so lange nicht bedienen, als es nur mit dem Interesse des Pupillen vereinbarlich ist. Uebrigens ist
c) in Fällen, wo die Vormundschafts-Behörde die Bewilligung zur Ehe nachgetragen hat, eine wiederholte feyerliche Erklärung vor dem Seelsorger und zwey vertrauten Zeugen, wie der § 88 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches anordnet, nicht nothwendig, folglich auch
d) die Nothwendigkeit der Wiedereinsegnung nicht vorhanden.
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