Der Landtag behandelt und genehmigt den Gesetzentwurf zum Sachenrecht


Handschriftliches Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, gez. Landtagspräsident Wilhelm Beck [1]

21.11.1922 

Vorlage: Fortsetzung der Beratung über das Sachenrecht 

Präsident: Ersucht Herrn Leg. Rat Dr. [Emil] Beck die in der Vorbesprechung [2] gefassten Anträge vorzulesen u. Herrn Abg. [Karl] Kaiser betr. Torfstich einen bestimmten Vorschlag über die Tiefe zu machen. 

Dr. Beck: Betr. Torfstich ist Art. 78 neu formuliert. Art. 79 u. 80 werden zusammengefasst. 

Kaiser: Die Böschungen bei Gräben sollen erst 40 cm ab dem normalen Wasserstand beginnen. 

Präsident: Ersucht Dr. Beck diesem Art. einen neuen Absatz beizufügen. An der weiteren Debatte beteiligen sich Kaiser, P. [Peter] Büchel, [Alois] Frick, [Albert] Wolfinger u. Präsident. 

Kaiser: Am Grenzgraben gegen Vorarlberg soll die ganze Böschung stehen bleiben. 

Dr. Beck: Art. 85 Absatz 3 betr. Einfriedungen gegen Strassen u. Wege ist neu formuliert. Mauern u. Zäune längs der Landstrasse müssen wenigstens 25 cm, längs der Ortsgassen u. Feldwegen wenigstens 50 cm u. bei Fusswegen 15 cm von der Strassenrampe oder äusseren Strassengrabenkante bezw. Weggrenze entfernt gehalten werden. 

Die Abg. erklären sich hiemit einverstanden. 

P. Büchel: Können Gemeinderat oder Strassenbauamt nicht verlangen, wenn Mauern oder Zäune die Strasse beengen, dass solche weiter als gesetzl. Mass zurückgesetzt werden nach Bedarf. 

Präsident: Erklärt, dass dies nur im Prozesswege oder mit Expropriation möglich sei. 

P. Büchel: Wie verhält es sich bei Gassen, die nicht eingemarkt sind. 

[Josef] Gassner: Nach seiner Ansicht wären in dem Falle die Abstände der Zäune oder Mauern eine Vorfrage für sich.

Präsident: Zu Art. 202 ist ein neuer Absatz betr. Räumungspflicht beigefügt. 

Dr. Beck: Art. 67 ist abgeändert, die gesetzl. Abstände bei Bauten regelt Art. 67 a. Es ist bei Bauten gegenüber Landstr. 3 ½ m, gegenüber Gmdestr. 3 m Abstand einzuhalten. 

Präsident: frägt, wer dagegen etwas einwenden wolle. Nachdem niemand eine Einwendung macht, fügt er noch einige Ergänzungen zu den Art. 112 u. 113 der Aufhebungsbestimmungen an. 

Wolfinger: Die Höhe der Lebzäune ist noch nicht festgesetzt. 

Gassner: Wie steht es mit Waldbäumen, die zu nahe an die Grenze gepflanzt sind. 

Präsident: klärt nach Art. 1 der Übergangsbestimmungen auf. 

Wolfinger: Schlägt für Lebhäge eine Höhe von 1.25 m vor. P. Büchel u. [Felix] Gubelmann unterstützen ihn. 

Präsident: formuliert. Lebhäge müssen jährlich auf 1.25 m gestutzt werden. 

Präsident: Nach Art. 113 der Übergangsbestimmungen sei dieses Gesetz als dringlich erklärt, Grund hiefür sei die Creditbedürftigkeit, er fordert zur Stellungnahme auf. 

Es werden keine Einwendungen gemacht. 

Präsident: Wie wäre noch eine Redaktionskommission zu wählen zur Vornahme der beschlossenen Änderungen. 

P. Büchel: schlägt für die Redakt. Kommission die Herrn Leg. Rat Dr. Beck u. Präs. Dr. Beck vor u. ladet zur Abstimmung ein. 

Der Vorschlag wird einstimmig angenommen. 

Präsident: Ladet zur Abstimmung über das Gesetz ein. 

Das Gesetz wird einstimmig angenommen. [3] 

Präsident: dankt Dr. Beck für die Ausarbeitung des Entwurfes. 

Reg. Chef [Gustav Schädler]: dankt im Namen der collegialen Regierung Dr. Beck wärmstens für diese Vorlage u. hält einen Vortrag über den Wert des Gesetzes. 

Dr. Beck: dankt für die Ehre u. den Auftrag diesen Entwurf auszuarbeiten u. wünscht dass dieses Gesetz zum Segen des Landes werde. 

Präsident: Erklärt zur weiteren Tagesordnung zu schreiten u. ersucht den Vizepräsidenten P. Büchel den Präsidentenstuhl einzunehmen, da er mit Herrn Dr. Beck gleich die Korrekturen vornehmen wolle u. er in einem Punkte sowieso abtreten müsse. 

P. Büchel: Ersucht den Präsidenten, bis zu jenem Punkte zu bleiben. [4]

______________

[1] LI LA LTP 1922/197. Das letzte Blatt des Protokolls ist am unteren Rand abgeschnitten, sodass allfällige weitere Unterschriften nicht zu erkennen sind. Das Protokoll wurde publiziert in: L.Vo., Nr. 10, 7.2.1923, S. 1 („Protokoll über die Landtagssitzung vom 20.11.1922“); L.Vo., Nr. 11, 10.2.1923, S. 1 („Protokoll der Landtagssitzung vom 21.11.1922 (Fortsetzung)“).
[2] Vgl. das Landtagsprotokoll vom 20.11.1922 (LI LA LTP 1922/196). Der Gesetzentwurf war ausserdem in der Sitzung der Finanzkommission des Landtages vom 16.10.1922 behandelt worden (vgl. LI LA LTA 1922/S03).  
[3] Vgl. das Sachenrecht vom 31.12.1922, LGBl. 1923 Nr. 4; ferner die Regierungsverordnung vom 1.5.1924 zum Sachenrecht, LGBl. 1924 Nr. 13.
[4] In den „Oberrheinischen Nachrichten“ wurde in einer Artikelserie zwischen März und Mai 1923 das Sachenrecht der Öffentlichkeit vorgestellt bzw. ausgewählte sachenrechtliche Fragen erörtert (vgl. etwa O.N., Nr. 11, 10.2.1923, S. 1-2 („Aus dem neuen Sachenrecht“)