Johann Franz Paur [Bauer] berichtet dem Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein über die Probleme der Geschworenen betreffend die Versorgung von Bettler, die ihnen von der Landschaft auferlegt wird. Schwierigkeiten gibt es auch mit der eigenmächtigen Steuereintreibung gewisser Landammänner. Zusätzlich legt Paur ein Schreiben des Fürstabts von Kempten bei.


Durchleuchtigester fürst.

Gnädigester fürst und herr, herr, etc., etc.[1] 

Bey morgens 8 tag vorgehabter geschworenen-satzung wollte sich mein abstehen darumben nit einrichten laßen, weylen sye, geschworene, alle landtsfrembde gebrochene und sonsten zum gehen undichtige bettlere, sye seyen gleich mit ahnsteckhendten, oder anderen seuchen behafftet, nit allein zue beherbergen, sonderen auch auf ihre cössten zue speißen und widerumb fortzufiehren, die unablößliche obligation[2] auf sich haben, welliches dan so eine beschwerde ist, und respectu[3] der landtschafft eine allgemein sublevation[4] verpleibet, daß zueweylen schon gantze geschworenen-häußer außgestorben, ander aber unberührt worden seindt.

Waß für eine andtworth deß herrn abbten zue Kempten[5], hochfürstlich gnaden, auf die gnädigst befelehte erinnerung gegeben haben, belieben ewr hochfürstlich durchlaucht auß dem original-anschluss gnädigst zue ersehen.

Der ambtstragendte landamman hat ohne mein vorwißen eine steyr, und zwar auf iedes 100 fl.[6] vermögens 9 x.[7] angelegt und ausgeschriben. Ich habe es dato nit geandet, sonderen mich / hiebevor gnädigsten befelchß erhollen sollen, wie derley eingriffigkeiten zue corrigieren sein mechten, indem ia contra naturam[8] ist, daß der collectandus[9] ohne gnädigster herrschafft vorwissen collectas ausschreyben, bezüehen und verwenden solle.

Morgens gehe ich ahn die renovation[10] deß urbarii, umb alleß in statum liquidi[11] zue bringen. Nit zweyflendte, ewr hochfürstlich durchlaucht gnädigste resolution[12] wegen deß sogenanten Renn-[13] oder Bridlerischen Hoffs[14], item[15] der mit eysen gebundenen fässern halber inmittels auch einlauffen werde, mit gehorsamster meiner empfehlung in aller underthänigstem respect verpleibendte.

Ewr hochfürstlich durchlaucht.

Feldtkürch[16], den 31. Augusti 1699.

Underthänigst, threw, gehorsamster diener.

Johann Franz Paur[17], manu propria[18]. /

 

[Beilage: Antwortschreiben des Fürstabts von Kempten an Paur] 

Rupert von Bodman, Fürstabt von Kempten, schreibt an Johann Franz Paur [Bauer] über die unbezahlten Schulden der Herrschaft Schellenberg bei den Graubündner Adelsfamilien Salis und Sprecher. Ausf., Stift Kempten 1699 August 26, SL-HA, H 2609, unfol.

 

Von Gottes gnaden Ruprecht des Heyligen Römischen Reichs[19] fürst und abbt zu Kempten[20], ihro mayestät der römischen kayserin[21] erzmarschall, etc.

Unseren gnädigsten grues zuvor, hochgelehrter und lieber, besonderer, etc.

Wür haben auß ewerem vom 17. delabentis[22] sambt beyschluß ersehen, waß des fürsten von Liechtenstain, liebden[23], sowohl wegen aushändigung der haubt- und anderen particulier-quittungen[24], alß auch in puncto collectationis extraneorum[25], nit weniger der Püntneren[26] halber erinnern wollen.

Wie nun, so vill das erstere belanget, die haubtquittung an hochgedacht seine liebden beraits übermacht wordten, die übrige quittungen aber euch ebenfahls hiernegstens zu behändigen seyn werdten. Alß ist nit weniger von unß der puncten collectationis an sein allerhöchstes orth pro decisione[27] schon vor gueter zeith in aller underthänigkeit recommendiert[28] worden, belangendt hingegen die pündtnerische creditores[29], seindt alleinig die von Salis[30] pro 3.000 fl.[31] und die Sprecher[32] pro 5.460 fl. annoch zu befridigen, mit denen / übrigen aber hat es durch die beschehene anweisung sein richtigkeit erlangt, und wirdet hiernegstens wegen gemelter zwey creditoren ein gleichmässiges ervolgen, da von seinem allerhöchsten orth in puncto valoris extrinseci[33] die allergnädigste decision[34] einlangen würdet. Verbleiben ihme damithin mit gnädigstem willen wohl zugethan.

Zu unserer residenz und stifft Kempten, den 26. Augusti 1699.

Rupert, abt von Kempten, manu propria.

 


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[1] Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 127.

[2]Verpflichtung.

[3]bezüglich.

[4]Unterstützung.

[5] Rupert von Bodman (1646–1728) war von 1678 bis 1728 Fürstabt von Kempten und ab 1681 kaiserlicher Verwalter von Vaduz und Schellenberg. Vgl. Otto Seger, Rupert von Bodman, Fürstabt von Kempten, in seinem Wirken für unser Land. In: Jahrbuch des historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Vaduz 1978; Paul Vogt, Der 18. Januar 1699 – Wendepunkt in unserer Geschichte? In: Jahrbuch des historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Vaduz 1999.

[6]fl. = Gulden (Florin).

[7]x. = Kreuzer.

[8]gegen die Natur.

[9]Steuereintreiber.

[10]Erneuerung.

[11]jetzigen Stand.

[12]Befehl.

[13]Rennhof, Mauren. Vgl. Hans Stricker (Leitung), Toni Banzer Herbert Hilbe (Bearbeiter), Liechtensteiner Namenbuch (LNB). Die Orts- und Flurnamen des Fürstentums Liechtenstein, Bd. 3, Vaduz 1999, S. 474.

[14] Pritleinshof (†), Eschen. Vgl. LNB, Ortsnamen, Bd. 3, S. 258.

[15]auch.

[16]Feldkirch (A).

[17]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1700 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA, H 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.

[18]eigenhändig.

[19] Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den kaiserlichen Herrschaftsbereich vom Mittelalter bis zum Jahre 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen Herrscher ab, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes Heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Zur Unterscheidung vom 1871 gegründeten Deutschen Reich wird es auch als das Alte Reich bezeichnet. Vgl. Klaus Herbers, Helmut Neuhaus, Das Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843–1806). Böhlau-Verlag, Köln-Weimar 2005.

[20]Fürstabtei Kempten in Kempten (D).

[21]Eleonore Magdalene Therese von Pfalz-Neuenburg (6. Januar 1655–19. Januar 1720) war die dritte Frau von Kaiser Leopold I. und Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches. Vgl. Constant von Wurzbach, Habsburg, Eleonora Magdalena Theresia von der Pfalz. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Bd. 6, Agnes – Ludwig, Verlag L. C. Zamarski, Wien 1860, S. 162.

[22]verfallenen [letzten Monats].

[23] Liebden = schriftliche und mündliche Anrede unter Fürsten (hohen Adeligen).

[24]Einzelquittungen.

[25]in puncto collectationis extraneorum“: wegen Steuerabgabe von Ausländern.

[26]Graubündner.

[27]für die Entscheidung.

[28]empfohlen.

[29]Kreditgeber.

[30]Salis ist ein altes Schweizer Adelsgeschlecht aus Soglio im Bergell im Süden Graubündens. Vgl. Conradin von Planta, Salis, von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB) 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, S. 373–375.

[31]fl. = Gulden (Florin).

[32] Sprecher von Bernegg, auch von Sprecher oder oftmals nur Sprecher, ist der Name eines alten schweizerischen Adelsgeschlechts. Neben den Salis und Planta gehörten die Sprecher von Bernegg zu den einflussreichsten Familien im Veltin und in Graubünden. Vgl. Sprecher von Bernegg. In: Heinrich August Pierer, Julius Löbe (Hrsg.), Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit. 4. Auflage. Bd. 16, Altenburg 1863, S. 596.

[33]in puncto valoris extrinseci“: wegen des Werts außerhalb.

[34]Entscheidung.