Rupert von Bodman, Fürstabt von Kempten, schreibt an den Schellenberger Verwalter, Johann Franz Paur [Bauer], über die unbezahlten Schulden der Herrschaft Schellenberg bei den Graubündner Adelsfamilien Salis und Sprecher.


Von Gottes gnaden Ruprecht[1], des Heyligen Römischen Reichs[2] fürst und abbt zu Kempten[3], ihro mayestät der römischen kayserin[4] erzmarschall, etc.

Unseren gnädigsten grues zuvor, hochgelehrter und lieber, besonderer, etc.[5]

Wür haben auß ewerem vom 17. delabentis[6] sambt beyschluß ersehen, waß des fürsten von Liechtenstain[7], liebden[8], sowohl wegen aushändigung der haubt- und anderen particulier-quittungen[9], alß auch in puncto collectationis extraneorum[10], nit weniger der Püntneren[11] halber erinnern wollen.

Wie nun, so vill das erstere belanget, die haubtquittung an hochgedacht seine liebden beraits übermacht wordten, die übrige quittungen aber euch ebenfahls hiernegstens zu behändigen seyn werdten. Alß ist nit weniger von unß der puncten collectationis an sein allerhöchstes orth pro decisione[12] schon vor gueter zeith in aller underthänigkeit recommendiert[13] worden, belangendt hingegen die pündtnerische creditores[14], seindt alleinig die von Salis[15] pro 3.000 fl.[16] und die Sprecher[17] pro 5.460 fl. annoch zu befridigen, mit denen / übrigen aber hat es durch die beschehene anweisung sein richtigkeit erlangt, und wirdet hiernegstens wegen gemelter zwey creditoren ein gleichmässiges ervolgen, da von seinem allerhöchsten orth in puncto valoris extrinseci[18] die allergnädigste decision[19] einlangen würdet. Verbleiben ihme damithin mit gnädigstem willen wohl zugethan.

Zu unserer residenz und stifft Kempten, den 26. Augusti 1699.

Rupert, abt von Kempten, manu propria[20].

 


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[1] Rupert von Bodman (1646–1728) war von 1678 bis 1728 Fürstabt von Kempten und ab 1681 kaiserlicher Verwalter von Vaduz und Schellenberg. Vgl. Otto Seger, Rupert von Bodman, Fürstabt von Kempten, in seinem Wirken für unser Land. In: Jahrbuch des historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Vaduz 1978; Paul Vogt, Der 18. Januar 1699 – Wendepunkt in unserer Geschichte? In: Jahrbuch des historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Vaduz 1999.

[2] Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den kaiserlichen Herrschaftsbereich vom Mittelalter bis zum Jahre 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen Herrscher ab, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes Heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Zur Unterscheidung vom 1871 gegründeten Deutschen Reich wird es auch als das Alte Reich bezeichnet. Vgl. Klaus Herbers, Helmut Neuhaus, Das Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843–1806). Böhlau-Verlag, Köln-Weimar 2005.

[3]Fürstabtei Kempten in Kempten (D).

[4]Eleonore Magdalene Therese von Pfalz-Neuenburg (6. Januar 1655–19. Januar 1720) war die dritte Frau von Kaiser Leopold I. und Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches. Vgl. Constant von Wurzbach, Habsburg, Eleonora Magdalena Theresia von der Pfalz. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Bd. 6, Agnes – Ludwig, Verlag L. C. Zamarski, Wien 1860, S. 162.

[5]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1700 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA, H 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.

[6]verfallenen [letzten Monats].

[7] Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Wurzbach, Bd. 15, Leon – Lomeni, Wien 1866, S. 127.

[8] Liebden = schriftliche und mündliche Anrede unter Fürsten (hohen Adeligen).

[9]Einzelquittungen.

[10]in puncto collectationis extraneorum“: wegen Steuerabgabe von Ausländern.

[11]Graubündner.

[12]für die Entscheidung.

[13]empfohlen.

[14]Kreditgeber.

[15]Salis ist ein altes Schweizer Adelsgeschlecht aus Soglio im Bergell im Süden Graubündens. Vgl. Conradin von Planta, Salis, von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB) 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, S. 373–375.

[16]fl. = Gulden (Florin).

[17] Sprecher von Bernegg, auch von Sprecher oder oftmals nur Sprecher, ist der Name eines alten schweizerischen Adelsgeschlechts. Neben den Salis und Planta gehörten die Sprecher von Bernegg zu den einflussreichsten Familien im Veltin und in Graubünden. Vgl. Sprecher von Bernegg. In: Heinrich August Pierer, Julius Löbe (Hrsg.), Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit. 4. Auflage. Bd. 16, Altenburg 1863, S. 596.

[18]in puncto valoris extrinseci“: wegen des Werts außerhalb.

[19]Entscheidung.

[20]eigenhändig.