Johann Franz Paur [Bauer] schreibt dem Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein betreffend die Verwaltung von Schellenberg, dass ein fürstliches Kanzleisiegel nötig ist sowie die Anbringung des fürstlichen Wappens auf allen Wirtshäusern. Das Getreide wurde aufgrund des schlechten Wetter teurer und die Frondienste der Untertanen sind einzufordern.


Durchleuchtigester fürst.

Gnädigester fürst und herr, herr, etc., etc.[1] 

Ich muß gehorsamst repetieren[2], daß zuegleich meiner instruction auch ein canzley-signet[3] unendtperlich seye. Neben disem will nöthig sein, ahn denen schellenbergischen würthshäußern daß gräflich emsische wappen abzueschaffen und ewr hochfürstlich durchlauchtigkeit insignia zue affigieren[4], weylen mir aber die farben unbekhandt, als geruehen dieselbe solliche mit wasserfarben endtwerffen und zue weitherem verhallt befelchlich mir gnädigst verschaffen zue lassen. Daß urbarium attribuiert[5] gnädigster herrschafft von iedem hausgesessenen jährlich ein fron oder tagwerkh. Hieryber ist nothwendig, von der kayserlichen administrations-commission die erleitherung der effectus[6] und die eviction[7] selbsten zue suchen, indeme die observance[8] mich der præstation[9], ausser der absonderlich schuldigen frucht- und weinfuhren, nicht erinnert. Der letsterer schnee ist ohne gefrörnuß abgangen, hat aber ahn bäumen aber in dem land umb vill tausendt schaden gethan. Die frucht beginnet immer höcher zue steigen, der kern hat bey letstern markht 2 fl.[10] 28 x.[11], der roggen 2 fl., / gersten 1 fl. 40 x., der haber aber das viertl 1 fl. 4 x. gecostet, welliches vill leuthe hungerig und, mit underthänigstem respect zue melden, andere yahr zue dieben machet. Coemendo[12] Vaduz[13], oder da man durch einigerley anscheinendte practiques solliches mehrer staigern wollte, were ohne gehorsamste masgebung die abnamb dortigen zollß wohl zu considerieren[14], insonderheit, daß der in dem werkh seyendte weeg yber dem Gottersberg[15] zue machen, das mehreste commercium[16] ab und wegen der auß Italia und Frankreich alsdan umb allerdings 3 täg nacher Teitschland[17] als dan Mähren[18] passage[19] und condute[20] dorthin in die Schweiz ziehen würde. Zue hochfürstlichen hulden und gnaden mich underthänigt empfehlendte.

Ewr hochfürstliche durchlauchtigkeit.

Negst Veldkirch[21], den 22. Maii 1699.

Underthänigst, threw, gehorsamster diener.

Johann Franz Paur[22], manu propria[23]. /

[Rubrum]

Præsentatum[24], den 1. Junii 1699.

Schellenbergischr ambtmann pro[25] neues ambtssignet; der fürstlichen wappen bey denen wirtshäusern; item[26] die frohndiest – getraid-teuerung und vaduzischen zollsabnahm betreffend.

[Adresse]

Dem durchleuchtigesten fürsten und herren, herren Johann Adam Andreaß deß Heyligen Römischen Reichß[27] fürsten und regierern deß hauses Lichtenstein zue Nickholspurg[28], in Schlesien[29] etc., hertzogen zue Troppaw[30] und Jagerndorff[31], etc., ritteren deß Guldenen Flusses[32], der römisch kayserlichen mayestät[33], etc., etc., wirkhlichen geheimen rath und cammerern. Ihro hochfürstlichen durchlauchtigkeit meinem gnädigesten herrn.

Feldtspurg[34] per[35] Wien[36].

Franco ½[a]

 


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[1] Johann Adam I. Fürst von Liechtenstein (30. November 1656–18. Juni 1712). Vgl. Constant von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 15, Leon – Lomeni, L. C. Zamarski, Wien 1866, S. 127.

[2] wiederholen.

[3] Kanzleisiegel.

[4] anzubringen.

[5] teilt zu.

[6] Güter.

[7] gerichtliche Wiedererlangung.

[8] Beobachtung.

[9] Leistung; Gewährleistung.

[10] fl. = Gulden (Florin).

[11] x. = Kreuzer.

[12] [Den] Aufkauf.

[13] Vaduz (FL).

[14] übergelegen.

[15] Mögl. St. Gotthard (CH).

[16] Handel.

[17] Deutschland.

[18] Mähren (CZ).

[19] Durchgang.

[20] conduite (fr.) = Führung; Fahrt.

[21] Feldkirch (A).

[22]Johann Franz Bauer [Paur] (gest. 1715/16) studierte ab 1670/71 Rechtswissenschaften in Freiburg im Breisgau. Als Dr. beider Rechte machte er Karriere als Oberamtmann des Reichsstifts Rottenmünster und ab 1688 in hohenemsischen Diensten. Von 1699 bis 1715 war er fürstlich liechtensteinischer Amtmann und Verwalter der Herrschaft Schellenberg. Ab 1700 veranlasste er den Kauf zweier Brandstätten in Feldkirch und ließ auf diesen das fürstlich liechtensteinische Haus errichten, in welchem er bis zu seinem Tod wohnte. Vgl. Brief an den fürst-liechtensteinischen Buchhalter Nowak betreffend den Nachlass von Johann Franz Paur und das Haus in Feldkirch, Konz., Schloss Judenau 1716 August 3, SL-HA, unfol.; sowie die gesamte Verwaltungskorrespondenz Paurs mit Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein von 1699 bis 1712, SL-HA 2609, 2010, 2611; Karlheinz Burmeister, Johann Franz Bauer, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, Projektleiter: Arthur Brunhart; Red.: Fabian Frommelt ...[ et al.], Zürich 2013, Bd. 1, S. 72.

[23] eigenhändig.

[24] Vorgelegt.

[25] für.

[26] auch.

[27] Heiliges Römisches Reich war die offizielle Bezeichnung für den kaiserlichen Herrschaftsbereich vom Mittelalter bis zum Jahre 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen Herrscher ab, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes Heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Zur Unterscheidung vom 1871 gegründeten Deutschen Reich wird es auch als das Alte Reich bezeichnet. Vgl. Klaus Herbers, Helmut Neuhaus, Das Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843–1806). Böhlau-Verlag, Köln-Weimar 2005.

[28] Nikolsburg (Mikulov), Stadt (CZ).

[29] Schlesien ist eine Region in Mitteleuropa.

[30] Troppau (Opava) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Troppau (CZ).

[31] Jägerndorf (Krnov) war die Residenzstadt des ehemaligen Herzogtums Jägerndorf (CZ).

[32] Der Orden vom Goldenen Vlies (Flüss) ist ein burgundischer Ritterorden.

[33]Leopold I. (9. Juni 16405. Mai 1705) aus dem Hause Habsburg, war von 1658 bis 1705 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches sowie König von Ungarn (ab 1655), Böhmen (ab 1656), Kroatien und Slawonien (ab 1657). Vgl. Kerry R. J. Tattersall, Leopold I., Wien 2003.

[34] Feldsberg (Valtice), Stadt (CZ).

[35] über.

[36] Wien (A).

 


[a]Über der Adresse ist ein rotes Lacksiegel aufgedrückt.