Die "Oberrheinischen Nachrichten" warnen vor der Unterschriftensammlung gegen den provisorischen Vollzugsausschuss


Artikel in den "Oberrheinischen Nachrichten" [1]

23.11.1918

Die Unterschriftensammlung durch die Gegner der Neuorientierung hat in allen Gemeinden durch Unterstützung gewisser Leute eingesetzt. [2] Was will man denn mit diesen Bogen? Es heisst, man sei mit den Beschlüssen des Landtages vom 7. November nicht einverstanden, man wolle fürstentreu sein usw. Nun, letzteres sind die Freunde der neuen Regierung und ihres Programmes auch. Im übrigen sollte jeder Liechtensteiner, der nicht zu reaktionären Elementen gezählt sein will, mit den Männern der neuen Regierung gehen.

Denken denn die Unterschreiber daran, was für Propaganda mit jenen Unterschriftenbogen ohne ihr Wissen höheren Orts gemacht wird? Die wenigsten werden je erfahren, dass und wie die von ihnen unterschriebene Erklärung ausgelegt wird. Darum prüfe jeder, bevor er unterschreibt. Was ist nicht schon alles mit solchen Bogen an unserem politischen Leben geleistet worden! Bei einiger Überlegung muss sich doch jeder vernünftige Liechtensteiner sagen, dass wir eine auf dem Vertrauen des Grossteils der Bevölkerung ruhende Regierung aus Staatsbürgern haben müssen. Ausländer wollen wir nicht mehr an der Regierung, das wollen sich jene Herrschaften merken. Wir brauchen keine Vögte mehr, wir sind mündig.

Mit der Forderung, dass mehr demokratisch und volkstümlich künftig regiert werden soll, muss ebenfalls jeder vernünftige Liechtensteiner einverstanden sein.

Es ist eine gebieterische Notwendigkeit, dass liechtensteinische Volksmänner die Regierungszügel aufgreifen, einer andern Regierung müsste schon von vorneherein mit Misstrauen begegnet werden. Das wäre aber ein bedauerlicher, nicht zum Segen des Landes gereichender Zustand. Unbedingt zu wünschen ist auch, dass die Krone Leute in ihr Vertrauen zieht, die noch den nötigen Rückhalt im Volke besitzen und es wäre wieder zu bedauern, wenn sie nur einseitig und zu wenig über die wahre Stimmung im Volke aufgeklärt würde. In diesem Falle sind Missgriffe nicht ausgeschlossen.

Darum, Liechtensteiner, helfet zur neuen Regierung. Weiset den Unterschriftensammlern gegen die neue Regierung – die Türe. [3]

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[1] O.N., Nr. 48, 23.11.1918, S. 2.
[2] Gustav Ospelt, Bürgermeister von Vaduz, hatte alle Ortsvorsteher aufgefordert, für die Unterzeichnung der Petition einzutreten. Vgl. L.Vo., Nr. 50, 13.12.1918, S. 2 ("Vaduz").
[3] Die Unterschriftensammlung rief im Oberland, insbesondere in Balzers, grossen Ärger hervor. Vgl. LI LA J 007/S 046/047/19, Zeugeneinvernahme Robert Vogt, 10.6.1919; LI LA J 007/S 046/047/20, Zeugeneinvernahme David Büchel, 11.6.1919