Emil Beck teilt dem schweizerischen Postdepartement mit, dass Liechtenstein mit dem Entwurf des Postvertrags grundsätzlich einverstanden ist


Maschinenschriftliches Schreiben von Emil Beck, Geschäftsträger in Bern, an das schweizerische Postdepartement [1]

16.6.1920, Bern

Betrifft: Postvertrag

Ihr Schreiben Nr.1084,28 [2]

Unter Bezugnahme auf die geschätzte Note vom 1. Mai 1920 beehre ich mich, Ihnen mitzuteilen, dass ich den mir gütigst übermittelten Entwurf eines Übereinkommens betr. die Besorgung das Post-, Telegraph- und Telephondienstes im Fürstentum Liechtenstein durch die schweizerische Postverwaltung und die schweizerische Telegraphen- und Telephonverwaltung [3] der Fürstlichen Regierung unterbreitet habe und dass diese mit den darin enthaltenen Bestimmungen, vorbehältlich der Ratifizierung durch den Landtag und den regierenden Fürsten [Johann II.], im Wesentlichen einig geht. [4] Eine weitere Abklärung scheint ihr nur in wenigen Punkten wünschenswert zu sein, die ich hier kurz zu erörtern mir erlaube.

  1. Art. 4 Absatz 2: Wie sich aus einer mündlichen Erörterung mit Ihrem Herrn Oberpost Inspektor [Florian] Meng ergeben hat, will diese Bestimmung nicht etwa die schweizerischen Marken im liechtensteinischen Postdienst den liechtensteinischen Marken gleichstellen, sondern sie soll lediglich die Möglichkeit schaffen, dass Passanten, Touristen, Reisende usw., welche für kurze Zeit den liechtensteinischen Boden betreten, zur Aufgabe von Briefen, Karten usw. bei einem liechtensteinischen Postamt Schweizermarken, welche sie gerade bei sich haben, benützen dürfen. Gegen die Verwendung [von] Schweizermarken in diesen seltenen Fällen, welche die Einnahmen der Fürstlichen Regierung aus dem Markenverkauf nicht wesentlich beeinträchtigt, hat dieselbe nichts einzuwenden und sie erhebt auch keinen Anspruch auf Ersatz der ihr dadurch entgehenden Einnahmen. Was sie vermeiden möchte, ist lediglich die Verwendung schweizerischer Marken durch die in Liechtenstein wohnhaften oder sich aufhaltenden Personen für den regulären Postverkehr. Denn dadurch könnte ihr ein wesentlicher Teil der Einnahmen entgehen, indem Privatpersonen oder Firmen irgend ein Interesse daran haben können, ihre Postsachen in Liechtenstein mit schweizerischen Marken aufzugeben. Wenn Absatz 2 in diesem Sinne interpretiert werden dürfe, so hat die Fürstliche Regierung gegen seine Fassung nichts einzuwenden.
    Wie sich bereits aus Absatz 1 von Artikel 4 ergibt, dürfen auf liechtensteinischen Postämtern ausschliesslich liechtensteinische Postwertzeichen verkauft werden. Dabei wäre immerhin der mögliche Fall ins Auge zu fassen, dass in einem gegebenen Moment nicht genügend liechtensteinische Postwertzeichen vorhanden wären. Für diesen Fall möchte die fürstliche Regierung gerne von dem durch Herrn Meng in freundlicher Weise vorgeschlagenen Rechte Gebrauch machen, schweizerische Postmarken zum Selbstkostenpreise von der schweizerischen Postverwaltung zu beziehen. Dieser Gedanke könnte etwa durch Beifügung des folgenden Absatzes zum Ausdrucke gebracht werden:
    "Schweizerische Postwertzeichen dürfen bei den liechtensteinischen Postämtern nur verkauft werden, wenn augenblicklich keine liechtensteinischen Marken zur Verfügung stehen. Der Wert der so verkauften Marken ist dem Fürstentum Liechtenstein gutzuschreiben, abzüglich der Erzeugungskosten."
  2. Art. 11 Absatz 2. Nach der Auffassung der Fürstlichen Regierung hat diese Bestimmung nicht die Bedeutung, dass von den erfolgten Einlagen nur 80 % jeweils abgehoben werden können, während die restlichen 20 % stehen bleiben müssten. Sondern jeder Kontoinhaber kann jeder Zeit die Auszahlung seines ganzen Guthabens verlangen. In diesem Sinne kann die Fürstliche Regierung der Verwendung von 20 % für den Postbetrieb unbedenklich zustimmen.
  3. Art. 17 Absatz 1. Die Bestimmung dieses Absatzes möchte die Fürstliche Regierung durch den Zusatz ergänzen: "Für Bauten und grössere Anschaffungen ist jedoch die Zustimmung der Fürstlichen Regierung erforderlich." Eine nennenswerte Behinderung der Postverwaltung darf in diesem Zusatz, der lediglich formelle Bedeutung hat, nicht erblickt werden, da nur bei Änderungen von grösserer finanzieller Tragweite eine Verständigung zwischen der Schweizerischen Postverwaltung und der Fürstlichen Regierung Platz greifen müsste, was praktisch wohl auch ohne eine solche Bestimmung der Fall wäre.
  4. Art. 18 Absatz 1. In Bezug auf die Kündigung wäre es der Fürstlichen Regierung erwünscht, ausser dem 1. Januar auch den 1. Juli als Kündigungstermin aufzunehmen, sodass die Kündigung auf die beiden Termine 1 Jahr zum Voraus erfolgen müsste.
  5. Die Lieferung der liechtensteinischen Marken hätte, nach den erhaltenen Mitteilungen, an die Kreispostdirektion in St. Gallen zu erfolgen. Dabei darf wohl vorausgesetzt werden, dass die Einfuhr dieser Marken keiner Zollabgabe unterliegt.
  6. Gemäss dem in Artikel 4 Absatz 1 vorgesehenen Vorschlagsrecht möchte die Fürstliche Regierung vorschlagen, dass beim Inkrafttreten des Übereinkommens das dannzumalige Postpersonal, das sich für den Postdienst wohl eignen dürfte, von der Schweizerischen Postverwaltung übernommen wird.

Nach der Auffassung der Fürstlichen Regierung könnte das Übereinkommen auf den 1. September dieses Jahres in Kraft gesetzt werden. Für diesen Fall aber müsste der gegenüber Österreich geltende Postvertrag [5] spätestens am 1. Juli gekündigt werden. Ich wäre daher dem Departemente sehr verbunden für eine baldige Mitteilung darüber, ob es das Inkrafttreten des Übereinkommens auf diesen Zeitpunkt für möglich hält. [6]

Genehmigen Sie die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung

Der fürstliche Geschäftsträger

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[1] LI LA V 002/0480/15. Aktenzeichen: 705. Eine Kopie unter LI LA V 002/0480/16.
[2] LI LA V 002/0480/13, Postdepartement an Emil Beck, 1.5.1920.
[3] LI LA SF 03/1920/ad 2216. Zum definitiven Vertrag vgl. LGBl. 1922 Nr. 8. Der Entwurf beruhte auf den Besprechungen vom 23./24.1.1920 in Bern (LI LA SF 27/1920/0650 ad 64).
[4] Beck hatte der Regierung den Entwurf mit Schreiben vom 12.5.1920 übermittelt (LI LA V 002/0478/06). Diese unterbreitete den Entwurf der Finanzkommission und der Gesandtschaft in Wien (LI LA SF 03/1920ad 2216, Regierung an Gesandtschaft Wien, 18.5.1920). Prinz Eduard von Liechtenstein teilte, nachdem er die Meinung von Josef Peer eingeholt hatte (LI LA V 003/0193, Äusserung Dr. Peer, o.D.), seine Bemerkungen zum Vertrag am 29.5.1920 der Gesandtschaft Bern mit (LI LA V 003/0193).
[5] LI LA RE 1919/3062, Postvertrag, 18.2.1920.
[6] Das Schweizerische Postdepartement teilte mit Schreiben vom 2.7.1920 sein Einverständnis zu den gewünschten Änderungen mit (LI LA V 002/0480/17). Die Unterzeichnung des Abkommens erfolgte am 10.11.1920, die Genehmigung durch das schweizerische Parlament am 10. bzw. 17.12.1920, diejenige durch den Landtag am 29.12.1920 (LI LA LTA 1920/S04). Das Übereinkommen trat am 1.2.1921 in Kraft.