Emil Beck teilt der Regierung mit, dass der schweizerische Bundesrat den Entwurf des Zollvertrags an das Volkswirtschaftsdepartement zurückgewiesen habe


Maschinenschriftliches Schreiben von Emil Beck, Geschäftsträger in Bern, an die Regierung [1]

19.5.1921, Bern

Zollvertrag

Vom Politischen Departement erfahre ich, dass der Bundesrat in seiner gestrigen Sitzung beschlossen hat, den von der Oberzolldirektion vorgelegten Entwurf zu einem Zollvertrag [2] an das Volkswirtschaftsdepartement zum Mitbericht zurückzuweisen. [3]

Leider hat sich also der Bundesrat nicht entschliessen können, die Vorlage unverändert anzunehmen. Dieser Beschluss dürfte, wie ich vermute, auf den Wunsch des Volkswirtschaftsdepartements erfolgt sein, dessen Interessen durch diesen Vertrag allerdings in weitgehendem Masse berührt werden. So namentlich bezüglich der Waren-Ein- und Ausfuhr (Vieh, Lebensmittel, Kohlen u.s.w.).

Ich befürchte, dass dieses Departement uns die Sache, die im übrigen auf bestem Wege ist, etwas erschweren wird, und werde mich deshalb mit einzelnen Abteilungen in Verbindung setzen. Jedenfalls aber wird dadurch die definitive Stellungnahme des Bundesrates um mehrere Wochen hinausgeschoben, was ich sehr bedauere, da mir das Politische Departement in allen andern Verhandlungsgegenständen (Einreise von Arbeitern, Bewilligung der Vieheinfuhr u.s.w.) ein weitgehendes Entgegenkommen in Aussicht gestellt hat, sobald der Bundesrat einen Vertragsentwurf grundsätzlich angenommen hat.

Betr. den Inhalt des Vertrages kann ich Ihnen heute soviel sagen, dass der Entwurf eine jährliche Pauschalabfindungssumme vorsieht, welche alle drei Jahre den veränderten Verhältnissen auf Begehren des einen oder andern Vertragsstaates den veränderten Verhältnissen angepasst werden kann. Die für die ersten drei Jahre geltende Summe basiert auf den jetzigen Zolleinnahmen, welche aber in Zukunft wesentlich erhöht werden sollen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass von uns ausser dem Alkoholmonopol keine indirekten Steuern mitübernommen werden müssen.

Die Jahrespauschale, welche das Politische Departement uns erstmals offerieren wird, ist von verschiedener Seite als zu hoch bezeichnet worden. [4] Es ist vorauszusehen, dass die Opposition hier ansetzen wird, sodass es vielleicht ein Gebot der Klugheit ist, anfänglich an diesem Punkt nicht zu stark zu rütteln, um nicht die ganze Annahme zu gefährden. Die Höhe dieser Summe kann ich Ihnen bekannt geben, sobald der Bundesrat die Annahme des Entwurfs beschlossen hat.

Im weitern ist zu bemerken, dass der Entwurf in alle Einzelheiten ausgearbeitet und der Schweizerischen Behördenorganisation angepasst ist. Das Departement beabsichtigt daher, die Grundfragen nicht zur Diskussion zu stellen, sondern die Diskussionen müssten sich auf einzelne Fragen beschränken, während wir im Übrigen uns nur über die Annahme oder Ablehnung des Entwurfs schlüssig zu machen hätten. Als einen solchen Punkt, bei welchem keine Diskussion möglich ist, bezeichnet das Departement beispielweise die Regelung, wonach die Begnadigung in Bezug auf Gefällsdelikte den Schweizerischen Behörden zusteht, auch wenn sie im Fürstentum begangen worden sind. Damit aber aus einer solchen Regelung nicht eine Beschränkung der Souveränität des Fürsten herausgelesen werden kann, werden diese Souveränitätsrechte in einer besondern Klausel im Eingang ausdrücklich anerkannt und vorbehalten.

Unter diesen Umständen hält das Departement eine Beratung in einer gemischten Kommission nicht für zweckmässig. Vielmehr würden die einzelnen Punkte auf dem Wege der diplomatischen Verhandlungen geregelt werden. Bevor diese Verhandlungen einsetzen, sollte daher eine Liechtensteinische Kommission den Entwurf einer eingehenden Beratung unterziehen, deren Ergebnis dann der Gesandtschaft als Grundlage für die Verhandlungen dienen würden. [5] Sobald ich in den Besitz des Entwurfs gelange, werde ich Ihnen denselben zustellen.

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[1] LI LA SF 27/1921/2221 ad 1935. Aktenzeichen: 634/21. Eingangsstempel der Regierung vom 23.5.1921. Ein weiteres Exemplar unter LI LA V 002/0294/06-08.
[2] Vgl. DDS, Bd. 8, Nr. 58; CH BAR, E 2001 (E), 1969/262, Bd. 11, Az. B.14.24.P.4 III, Zollanschlussvertrag mit Liechtenstein, 1921-1924, Vertragsentwurf, o.D. (Kopie in LI LA SgK 353).
[3] Vgl. die Stellungnahme des Volkswirtschaftsdepartements vom 14.6.1921 (CH BAR, E 2001 (E), 1969/262, Bd. 1, Az. B.14.21.Liecht.0.Uch.2, Zollanschlussvertrag zwischen der Schweiz und Liechtenstein, 1920-1924).
[4] Der Entwurf sah eine Summe von 150'000 Franken vor.
[5] Tatsächlich wählte der Landtag in Erwartung einer bald bevorstehenden Entscheidung in Bern am 30.5.1921 eine siebenköpfige Kommission zur Beratung des Zollvertragsentwurfs (LI LA SF 27/1921/2221 ad 1935, Josef Ospelt an Landtag, 27.5.1921; LI LA LTA 1921/S04/2). Die Verabschiedung des Entwurfs und die Zusendung an Liechtenstein zur "Kenntnisnahme und Gegenäusserung" erfolgte jedoch erst Anfang 1922 (LI LA V 002/0299/058, Schweizerisches Politisches Departement an Emil Beck, 3.2.1922).