Das F.L. Landgericht lehnt die Auslieferung des Deserteurs Josef Sigismund Lorenzi an Österreich ab


Maschinenschriftliches Schreiben des F.L. Landgerichtes, gez. Julius Thurnher, an die Regierung [1]

31.12.1915

In der Anlage wird ein Ersuchen des k. u. k. Gerichtes des Militärkommandos Innsbruck um Auslieferung des Deserteurs Josef Sigismund Lorenzi, der sich angeblich in Ruggell aufhalten soll, übermittelt. [2]

Nach Anschauung des gefertigten Gerichtes steht die Bundeskartellkonvention vom 10. Februar 1831, [3] auf welche sich das Ersuchen stützt, zwischen Österreich und Liechtenstein aus den im mitfolgenden Schreiben vom 16. Dezember 1915 [4] ausgeführten Gründen nicht mehr zu Recht. [5]

 

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[1] LI LA RE 1915/4538 (Aktenzeichen Z. 725 Sts.). Zeitgenössischer Hinweis auf den Bezugsakt LI LA RE 1916/0207.
[2] Liegt nicht bei.
[3] Zwischen den zum Deutschen Bund gehörigen Staaten bestand – basierend auf Art. 24 der Bundeskriegsverfassung von 1821 – der Kartellvertrag vom 10.2.1831, der die wechselseitige Auslieferung von Militärpflichtigen und Deserteuren vorsah. Nur die eigenen Untertanen wurden, sofern sie aus fremdem Kriegsdienst desertierten, nicht ausgeliefert. Der 1815 gegründete Deutsche Bund wurde 1866 aufgelöst.
[4] Liegt nicht bei.
[5] Mit Schreiben vom 4.1.1916 legte Landesverweser Leopold von Imhof das Auslieferungsersuchen des k.u.k. Gerichtes des Militärkommandos Innsbruck betreffend „Giuseppi Lorenzi" der fürstlichen Hofkanzlei vor. Imhof bemerkte hiebei, dass er hinsichtlich der Frage, ob eine vertragsmässige Auslieferungsverpflichtung bestehe, ganz den vom F.L. Landgericht eingenommenen Rechtsstandpunkt teile. Es erschien ihm im Hinblick auf die anerkannte Neutralität und die zu besorgenden schweren politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen „durchaus unangängig", ohne ausdrücklichen Verpflichtungstitel auf das Begehren einzugehen (LI LA RE 1915/4538).