Fürst Johann II. spricht sich vorerst gegen eine offizielle Neutralitätserklärung Liechtensteins aus


Maschinenschriftliche Abschrift einer Resolution von Fürst Johann II. an Zentraldirektor Ferdinand Böhm von Bawenberg, stellvertretender Leiter der Hofkanzlei [1]

17.9.1914, Wien

Höchste Resolution!

In Angelegenheit des Fürstentums.

Es ist ausgeschlossen, dass humanitäre Gaben, Widmungen für Verwundete der Neutralität wiedersprechen sollten. Es ist unerfindlich, wie man aus der Neutralität hinausgetreten wäre oder heraustreten könnte. Es sind allerdings zwei oder drei Liechtensteiner als Freiwillige eingetreten. [2]

Eine offizielle Meinung von massgebender Seite, ob dies gegen die Neutralität wäre?

Ob man sollte eine Neutralität erklären?

Man kann nicht begreifen, wie ein Zoll oder Vertrag mit der Neutralität im Widerspruche stehen, sonst müsste doch die Schweiz oder Holland ihre Zoll- oder sonstigen Verträge, Italien seine Münzkonvention [3] kündigen?

Seine Durchlaucht können unmöglich einen Sinn in dieser Sache finden.

Eine Neutralitätserklärung würde Aufsehen machen, ein Hindernis wäre dagegen nicht wahrscheinlich, aber es wäre doch sehr sonderbar; man wird abwarten, was für Gründe angegeben werden, wodurch die Neutralität verletzt wäre.

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[1] LI LA V 003/0040/1. Aktenzeichen: 14707. Hintergrund der Resolution war die Anfrage Grossbritanniens nach Liechtensteins Stellung im Krieg (LI LA V 003/0040/1, Verbalnote der US-amerikanischen Botschaft in Wien an das k.u.k. Ministerium des Äussern, 14.9.1914).
[2] Zu den Kriegsfreiwilligen vgl. LI LA RE 1914/2286 ad 2131/2156, Hofkanzlei an Regierung, 18.8.1914.
[3] Lateinische Münzunion: Vertrag vom 23.12.1865 zwischen Frankreich, Italien, Belgien und der Schweiz über die gleichartige Ausprägung der Gold- und Silbermünzen.