Anton Walser, Obmann der Volkspartei, teilt Josef Peer mit, dass die Volkspartei mit allen erlaubten Mitteln gegen dessen Bestellung zum Landesverweser kämpfen werde


Handschriftliches Konzeptschreiben von Anton Walser, Obmann der Volkspartei, gez. ders., an Josef Peer, Richter am Verwaltungsgerichtshof in Wien [1]

28.4.1920, Vaduz

Wir telegrafierten Ihnen heute: "Nehmen Hofrat zur Kenntnis, dass bis jetzt schon ca. 600 Bürger gegen die Besetzung des Landesverweserpostens durch Sie oder einen anderen Ausländer protestieren. Brief folgt."

Vorerst erlauben wir uns, auf beiliegendes Parteiprogramm hinzuweisen: [2]

Im November 1918 verlangte das Volk den Ausbau unserer Verfassung, und zwar auf demokratischer Grundlage. In dieser revidierten Verfassung sollte das Prinzip festgelegt werden: Es wird in Liechtenstein parlamentarisch regiert & zwar hat diese Regierung aus Landesbürgern zu bestehen.

Von höchster Seite wurde uns versprochen, die Verfassung sofort zu revidieren & dem Volk grösstes Entgegenkommen versichert. Und heute stehen wir noch am selben Flecken. Wie es nun den Anschein hat, will man jetzt durch die Besetzung des Landverweserpostens einen der Hauptpunkte der Verfassungsänderung & unseres Parteiprogrammes, für das wir mit aller Entschiedenheit eintreten, einfach aus der Welt schaffen.

Es wird heute jeder zeitgemäss denkende Mann zugeben, dass es nicht mehr angeht, die politischen Wünsche einer ca. die Hälfte Wähler des Landes umfassende Partei, auf diese Art & Weise zu erledigen.

Es wird auch weiter nicht mehr angehen, vielleicht mit wenigen Stimmen eine Partei zu majorisieren.

Wir sind der Überzeugung, dass bei uns nur eine Regierung, die das Vertrauen des ganzen Volkes besitzt, segensreich wirken kann. Es liegt uns heute ganz ferne, um die Person zu kämpfen. Wir halten aber fest an unseren Grundsätzen und das ist im vorliegendem Falle: "Die Regierung muss aus Liechtensteinern zusammengesetzt sein." Den Kampf für dieses Postulat werden [wir] mit allen erlaubten Mitteln führen.

Aus verschiedenen Gründen gestatteten wir uns, Herr Hofrat, diese Auseinandersetzungen zu machen.

Es liegt uns ganz ferne, und wir schätzen Ihre Person viel zu hoch, als dass wir aus persönlichen Gründen zur Landesverweserfrage Stellung nehmen würden.

Wir versichern Herr Hofrat, dass die Volkspartei Ihre Person ebenso hoch ehrt & achtet wie andere. In diesem Fall handelt es sich um prinzipielle politische Landesfragen & absolut nicht um Personen.

Genehmigen Sie im übrigen, verehrter Herr Hofrat, die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung. [3]

Liechteinsteinische Volkspartei

Der Obmann

______________

[1] LI PA VU, Schlossabmachungen, Nr. 1. Ediert in: Die Schlossabmachungen vom September 1920. Studien und Quellen zur politischen Geschichte des Fürstentums Liechtenstein im frühen 20. Jahrhundert, hrsg. von der Vaterländischen Union, Vaduz 1996, S. 162f. Das Dokument stammt aus dem Nachlass von Gustav Schädler und wurde von dessen Söhnen dem Parteiarchiv der Vaterländischen Union übergeben.
[2] O.N., Nr. 3, 18.1.1919, S. 1f. ("Programm der christl.-sozialen Volkspartei Liechtensteins").
[3] Peer antwortete Walser mit Schreiben vom 3.5.1920, veröffentlicht in L.Vo., Nr. 40, 19.5.1920, S. 1 ("Zur Landesverweserfrage").