Verordnung
betreffend die Einführung der Handwerkerschulen und die Feststellung der Verpflichtung zum Besuche der Industrieschulen[1]
vom 22. Oktober 1861
Um den Wiederholungunterricht für die aus den Elementarschulen entlassene Jugend, wenn sie nicht höhere Bildungsanstalten besucht, den künftigen Berufsbestimmungen derselben mehr anzupassen, werden zu Folge höchsten Rescriptes Seiner Durchlaucht vom 8. Oktober d. J. Z. 10239 die §§ 11, 16, 26 und 31 des Schulgesetzes vom 8. Februar 1859 nachstehend theilweise ergänzt, theilweise abgeändert:
§.1
Die im § 26 erwähnten Sonntagsschulen sind von nun an blos von den der Werktagsschule entwachsenen Mädchen und nur bis zu ihrem vollendeten 16. Lebensjahre zu frequentiren.
Dagegen liegt diesen während des Wintersemesters auch der Besuch der Industrieschule ob, welche in jeder Gemeinde wochentlich 1 Mal durch 3 Stunden unterhalten werden muß, und wozu die im schulpflichtigen Alter befindlichen Mädchen während der ganzen Zeit des Besuches der Werktagsschule verpflichtet bleiben.
§.2
Für die männliche Jugend werden Handwerkerschulen ins Leben gerufen, deren Lehrkurs mit 1. November eines jeden Jahres beginnt und mit dem allgemeinen Winterschulsemester endet und in welchen jeden Sonnabend von 1 bis 4 Uhr Nachmittags Unterricht gegeben wird.
Diese Handwerkerschulen müssen die aus den Werktagsschulen entlassenen Knaben bis zu ihrem vollendeten 18. Lebensjahre besuchen. Aeltere Jünglinge hingegen und Männer sind ebenfalls zum Besuche derselben berechtiget, jedoch haben sie die beabsichtigte Frequenz alljährlich beim Beginn des Lehrkurses anzumelden und sich zum ununterbrochenen Besuche desselben zu verpflichten.
§.3
Die in den Handwerkerschulen zu behandelnden Unterrichtsgegenstände haben in sich zu fassen:
schriftliche Aufsätze in Verbindung mit der deutschen Sprachlehre.
Rechnen
Elementarbegriffe der Geometrie.
Populäre Vorträge aus der Naturgeschichte, Landwirthschaft und Naturlehre.
Allgemeine Umriße aus der Geografie.
Lesen gemeinnütziger, leichtfaßlicher Bücher.
§.4
Der Religionsunterricht wird wie bisher sowohl den Knaben, als den Mädchen bis zu ihrem vollendeten 17. Lebensjahre in der Kirche vor dem nachmittäglichen Gottesdienste ertheilt.
§.5
Jedes Ausbleiben aus der Christenlehre, aus der Handwerker- oder Industrieschule, soferne dasselbe nicht genügend gerechtfertiget werden kann, hat für die Angehörigen der Säumigen oder für deren Dienstgeber eine Geldstrafe von 30 Neukreuzer, im Falle der Zahlungsunfähigkeit aber die Verhängung einer Arreststrafe bis zu 24 Stunden oder einer unfreiwilligen Gemeindearbeit zur Folge.
§.6
Diesen Anordnungen unterstehen nicht allein die einheimischen anwesenden, sondern auch jene ausländischen Jünglinge und Mädchen, welche sich länger als 4 Wochen ununterbrochen in einer Gemeinde des Fürstenthumes aufhalten.
§.7
Vorstehende Bestimmungen haben mit 1. November 1861 ins Leben zu treten.
Regierungsamt Vaduz am 22. Oktober 1861.
Carl Haus von Hausen
Landesverweser
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[1] LI LA Sg RV 1861/8. Originaltitel. Druck.