Einführung von Wanderbüchern für Wanderarbeiter


[Verordnung zur Einführung von Wanderbüchern für Wanderarbeiter][1]

vom 25. Juni 1859

Um den eigentlichen Handwerkern, Gehilfen, Fabriks- und Manufaktur-Arbeitern das Wandern zu erleichtern und ihnen Gelegenheit zu verschaffen, über gute Verwendung und Betragen sich gehörig ausweisen zu können, haben Ihre Durchlaucht auf erstatteten regierungsämtlichen Vortrag zu genehmigen geruht, dass ihnen künftig keine Pässe, sondern förmliche Wanderbücher ausgefertigt werden sollen, wie diese in allen deutschen Bundesstaaten üblich und eingeführt sind.

Mir der Bestimmung, dass anderweitig die bestehenden Pass-Vorschriften in ihrer vollen Wirksamkeit zu verbleiben haben, findet die fürstliche Hofkanzlei gemäss höchsten Auftrages in Bezug auf Wanderbücher, welche mit 1. Oktober 1859 in Anwendung zu bringen sind, Folgendes zu verordnen:

§ 1

Vom angeführten Tage an sind den eigentlichen Handwerkern, Gehilfen, Fabriks- und Manufaktur-Arbeitern zu ihrem Fortkommen Wanderbücher auszufertigen, neben welchen keinerlei Reiseschriften noch Kundschaften geführt werden dürfen.

§ 2

Das Wanderbuch hat aus 40 durchnähten Blättern zu bestehen, die mit einem zweifärbigen Faden, dessen Ende an der inneren Seite des steifen Einbandes mit dem Siegel des Regierungs-Amtes befestiget ist, geheftet sind. Die einzelnen Seiten erhalten die Bezeichnung mit der fortlaufenden Ziffer von 1 bis 80. Auf der ersten Seite befindet sich der festgesetzte Stempel, die Zahl, unter welcher das Wanderbuch ausgefertiget ist, und der Titel:

Wanderbuch, in Folge höchster Verordnung   
vom 25. Juni 1859, Nr. 4206

dann folgt der Name, Geburtsort, Alter und das vollständige Signalement nebst der Namensfertigung des Beteiligten, wie es bei Pässen gewöhnlich ist, mit der Aufforderung an alle Behörden des In- und Auslandes, den Vorweiser unbeirrt hin- und wieder ziehen zu lassen und die Fertigung der das Wanderbuch ausstellenden Behörde.

Sohin ist die Vorschrift für das Benehmen des Betheiligten und die Warnung einzuschalten, dass jede Verfälschung des Wanderbuches als Verbrechen des Betrugs geahndet werden würde. Im weiteren Verfolge sind die Zeugnisse der Arbeitgeber, dann die Reise-Bewilligungen und Vidirungen der berufene Behörden einzutragen.

Die Gültigkeit des Wanderbuches wird auf die Zeit von drei Jahren beschränkt, welche mit Worten auszudrücken ist.

§ 3

Der Besitzer des Wanderbuches hat dasselbe beim Eintritte in die Arbeit dem Arbeitsgeber zu behändigen und beim Austritte von der Ortsobrigkeit, auf Grund des erhaltenen Bewertungs-Zeugnisses, darin eintragen zu lassen: wo, bei wem, durch welche Zeit er sich aufgehalten, dann ob es sich treu, fleissig und gut betragen habe. Sollte durch Eintragungen kein Raum mehr zu Weiterem erübrigen, so können dem Wanderbuche von der Behörde weitere paginierte Blätter angeheftet werden, welches jedoch bei der Vidirung ausdrücklich anzumerken wäre.

§ 4

Da nur der Person des Handwerkers oder Arbeiters Wanderbücher ertheilt werden dürfen, so darf dessen Familie, wenn sie mitreisen will, in die Wanderbücher nicht eingetragen werden, sondern muss nach den bestehenden Passvorschriften mit einem förmlichen Pass versehen werden.

§ 5

Der Wanderer hat sich fleissig um Arbeit zu bewerben, vor Betteln und bestimmungslosem Herumvagiren zu hüten und im Falle einer Krankheit oder anderer Ursache, die ihn an Ausübung seines Gewerbes durch längere Zeit hinderte, den Hinderungsgrund sich von der Ortsbehörde in sein Wanderbuch eintragen zu lassen.

§ 6

Der Wanderer hat die Dauer dieses Wanderbuches und Bestimmung der Länder, auf welche dasselbe lautet, genau zu beobachten und solches den betreffenden Polizei-Behörden auf seien Reiseroute zur Vidirung fleissig vorzulegen, damit sie hierauf machen und nach Massgabe der Passvorschriften das Amt handeln könne.

§ 7

Sollte das Wanderbuch in seiner Zeitdauer auslaufen und der Inhaber noch länger im Auslande verweilen wollen, so hat er vor Ablauf der Zeit bei der vorgesetzten Behörde um Erwirkung der Verlängerung seiner Wanderbewilligung mit dem Beisatze zu bitten, sich desshalb ohne Beilegung des Wanderbuches an das Regierungsamt zu wenden. Wenn letzteres die Verlängerung zu bewilligen findet, so wird es die betreffende ausländische Behörde zu ersuchen haben, die Verlängerungs-Bewilligungen mit Anführung des Datums und der Geschäftszahl derselben in das Wanderbuch des Gesuchstellers einzutragen.

§ 8

Bei Verlust des Wanderbuches hat der Handwerker oder Arbeiter der Obrigkeit sogleich Anzeige zu erstatten, wo der Verlust sich ergeben hat, welche dann die nöthigen Erhebungen einleiten und nach Befund verfügen wird. Ist das Wanderbuch nicht mehr aufzufinden, so kann dem Bewerber auf seine Kosten ein neues vom Regierungsamte mit dem ausdrücklichen Bemerken: dass es ein Dupplikat für das verlorene sei, angefertigt werden.

§ 9

Jede Verfälschung des Wanderbuches wird nach dem bestehenden Strafgesetzbuch als Verbrechen des Betrugs und die Ueberlassung an einen Andern seinem Fortkommen nach Verordnung vom 26. Juli 1845, Nr. 4883, als schwere Uebertretung gegen die öffentlichen Anstalten bestraft.

§ 10

Alle Einlassungen in unerlaubte Verbindungen was immer für einer Art, Handwerks-Missbräuche und Verabredungen zur Ertrotzung höheren Arbeitslohnes werden nach den bestehenden Gesetzen bestraft.

§ 11

Wenn die Gesetze des fremden Staates, wohin sich der Inländer begeben will, zum Eintritte dahin die Vidirung seines Gesandten bei einer der deutschen Regierungen verlangen, so wird er, um an dem Eintritte nicht gehindert zu werden, sich um dieses Visum zu bewerben haben.

§ 12

Bei Ausfertigung des Wanderbuches ist für dieses der Kostenbetrag mit 30 kr., dann die Stempel-Gebühr pr. 15 kr., zusammen mit 45 kr. N.W.. zu berichtigen.

§ 13

Zur Einbezahlung der Wanderbücher ist für jedes Jahr bei dem Regierungsamte ein eigenes Register zu führen, welches folgende Rubriken zu enthalten hat:

Die fortlaufende Nummer des Wanderbuches

Das Signalement des Handwerkers nebst Wohnort etc,. wie dieses bei Pässen vorgeschrieben ist.

Die Benennung der Länder, wohin die Wanderung bewilligt wird.

Die Zeitdauer, auf welche das Wanderbuch beschränkt wird.

Die Zeit der geschehenen Verlängerung des Wanderbuches und

Anmerkung, in welche besondere Vorkommenheiten in Bezug auf den Wanderer ein getragen werden können.

§ 14

Die Verrechnung der Wanderbücher hat die Landeskassa-Verwaltung zu besorgen.

Wien, am 25. Juni 1859

(L.S)    Von der hochfürstlchen Hofkanzlei

Franz Strak, fürstl. Rath

Rudolph Nechanky, fürstlicher Justiz-Rath

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[1] LI LA SgRV 1859. Kein Originaltitel. Druck Registraturvermerk: Nr. 4206.