Auswanderungspatent


[Auswanderungspatent[1]

vom 15. März 1809

Von Gottes Gnaden Wir Johann ¨Joseph  Fürst und Regierer des Hauses von und zu Liechtenstein von Nikolsburg, Herzog zu Troppau und Jägern­dorf in Schlesien, Graf zu Rietberg, Ritter des goldenen Vliesses, und Grosskreutz des militärischen Maria Theresien Ordens, Seiner k. k. apo­stolischen Majestät wirklicher Kämmerer, General der Cavallerie, In­haber eines Husaren-Regiments, kommandirender General in Öster­reich unter und ob der Enns, dann in Salzburg, Kommandant der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien und Präses des judicii delegati mili­taris mixti etc.

Um dem bisherigen Mangel eines ausführlichen Gesetzes in Betref der Auswanderung abzuhelfen, haben Wir in Ausübung der Souverenitäts­rechte unseres Sohnes Herrn Fürsten Karl nachfolgendes zu verordnen für nöthig erachtet.

§ 1

Als ein Auswanderer ist derjenige Unserer Unterthanen zu betrachten, der aus dem Gebiethe des souverainen Fürstenthums Liechtenstein in ein auswärtiges Land entweicht, mit dem Vorsatze nicht wieder zurück zukehren. Dahin gehören:

  1. Wenn jemand in fremde Kriegs- oder Civildienste sich begibt, oder
  2. in ein ausländisches Kloster tritt, oder
  3. in einem fremden Lande, worinn er nicht begütert ist oder kein Handlungshaus hat, sich häuslich niederlässt;
  4. Wenn sich eine Weibsperson im Auslande verehilegt;
  5. Wenn Jemand, dessen Entweichung der Obrigkeit erweisslich un­bekannt gewesen, durch drey Jahre aus dem Lande abwesend geblieben,
  6. Wenn Jemand zwar mit Erlaubniss auf eine Zeit ausser Land ge­reisst, aber nach erloschener Urlaubsfrist weder eine Verlängerung angesucht hat, noch nach der in der gerichtlichen Einberufung anberaumten Frist wieder zurückkehret; und
  7. Wann wer immer, nachdem seine Abwesenheit bekannt und er durch ein öffentliches Edikt einberuffen worden, in der anberaum­ten Frist weder wiederkehret, noch seine Abwesenheit giltig recht­fertiget.

Unter fremden Kriegsdiensten werden jedoch die Kriegs­dienste jener Staaten des rheinischen Bundes nicht verstanden, in welchen den Unterthanen verstattet ist, nach Gefallen in die Kriegsdienste dieses oder jenes Rheinbundesstaates zu treten; daher jene Individuen, welche sich in solcher Staaten Militärdienste be­geben, zwar nicht der Auswanderungsstrafe, wohl aber rücksicht­lich ihres Vermögens, in sofern sie solches ausser Land bringen wollen, der im nachfolgenden § 2 bestimmten Auswanderungstaxe unterliegen.

§ 2

Im Allgemeinen ist zwar Niemanden erlaubt auszuwandern, in einzelnen Fällen aber, wo besondere Umstände eine Ausnahme zu machen ge­statten, muss die Bewilligung zur Auswanderung bey dem Oberamte vorläufig angesucht werden, welches bey Individuen, die kein Vermö­gen im Lande besitzen, und bey Weibspersonen, die, wenn sie gleich eigenes Vermögen besitzen, in die benachbarten Länder sich vereheli­chen, über das Gesuch ohne weitere Anfrage zu erkennen, - in andern und bedeutenden Fällen aber an Unsere Hofkanzley seinen ausführli­chen Bericht zu erstatten und Unsere Entschliessung abzuwarten hat.

§ 3

In jenen Fällen, wo nun die Auswanderung bewilliget werden wird, sind von den sämtlichen Vermögen des Auswanderers ausser jenem an die Gemeinde, in welcher er sesshaft gewesen, nach dem bestehen­den Herkommen zu bezahlen schuldigen Abfahrtgelde, auch drey pro cento als Auswanderungstax an Unsere Rentkasse zu entrichten. Gegen Staaten, worinn eine höhere Emigrationstax bezogen wird, ist das Reciprocum auszuüben. Und wenn ein Auswanderer in ein Land sich begiebt, aus welchem wegen dorten geringeren öffentlichen Lasten notorischermassen Niemand in diesseitiges Land auswandert, in welches aber von diesseits Auswanderungen gerne statt haben, so ist in diesem Falle die Emigrationstaxe mit zehen pro cento zu beziehen.

§ 4

Dem Oberamte und den Dorfrichtern und überhaupt allen obrigkeitlichen Personen machen Wir es zur besonderen Pflicht, auf diejenigen, welche durch längere Zeit ohne eine geltende Ursache vom Hause ab­wesend sind oder ihr Vermögen heimlich aus dem Lande versenden, ein wachsames Auge zu haben.

Bey gegründeten Vermuthungen einer heimlichen Vermögensversendung ist mit der nöthigen Behutsamkeit die wahre Beschafffenheit zu erheben und nach Lage der Sache die zur Verhinderung weiterer Versendung und Entweichung des Versenders erforderliche Vorsehung zu treffen.

Der Anzeiger einer heimlichen Vermögens Versendung, wer er immer seye, empfängt wenn seine Anzeige sich bestättiget, zur Belohnung das Drittheil des als fiskalisch eingebrachten Vermögens.

§ 5

Wenn Unterthanen, besonders unangesessene oder von der Klasse des Dienstvolkes durch einige Zeit von ihrem Hause, ohne dass die Ursache bekannt ist abwesend bleiben, so sollen diejenigen, wo sie zu Herberg oder im Dienste sind, oder die Mitnachbarn und Verwandten es so­gleich der Obrigkeit oder den Ortsrichtern anzeigen, welche die Ur­sache der Abwesenheit untersuchen und wenn sich die Entweichung bestättiget, zur Wiedereinbringung des Entwichenen die Vorkehrung zu machen haben.

§ 6

Sollte ungehindert der Verbote und gemachten Vorkehrungen dennoch jemand auswandern, so ist derselbe durch ein den öffentlichen Zei­tungsblättern eingerücktes, dreymal wiederholtes Amtsedickt einzube­rufen, und ihm vom Tage der ergangenen Einberufung zur Wiederkehr eine Frist von einem Jahre mit dem Zusatze zu bestimmen, dass nach deren Verlauf der Fiskus gegen den Ausgewanderten nach seinem Amte handeln werde. Diese Einberufung soll auch gegen jeden verhängt wer­den, welcher mit Urlaub ausser Land gereisst und nach Erlöschung der Urlaubszeit binnen sechs Monaten nicht wiederkehrt ist.

§ 7

Wenn ein Ausgewanderter nach der Hand auf einige Zeit wieder zurückkömmt, so ist er von seinen Verwandten oder den Mitbewohnern des Orts sogleich der Obrigkeit anzuzeigen.

Es wird untersagt, für Anverwandte, welche in fremden Diensten stehen und auf einige Zeit zurückkehren wollen, auswärts Gewähr (Caution) zu leisten.

Ein ohne Erlaubniss Ausgewanderter und wirklich in fremden Kriegs­diensten stehender Unterthan, wenn er in sein Vaterland beurlaubt worden, soll von der Obrigkeit angehalten und darüber die Anzeige an Unsere Hofkanzley gemacht werden.

§ 8

Die Strafe der Auswanderung ist, nebst dem Verluste aller bürgerlichen Rechte, die Einziehung desjenigen Vermögens, welches der Entwichene zur Zeit der Entweichung eigenthümlich besessen hat. Was demselben in der Folge durch Erbschaft oder auf jede andere Art zuwachsen konnte, fällt seinen nächsten Erben nach der gemeinen Erbfolge an­heim.

Selbst die Einziehung des Vermögens, welches der Entwichene zur Zeit der Entweichung als Eigenthümer besitzt, hat nur bey kinderlosen Aus­wanderern statt; wenn aber der Auswandernde Kinder hinterlässt, soll das seinige Vermögen ihnen als angefallen gelassen werden.

Diejenigen, welche kein Vermögen besitzen, sind, falls sie eingebracht oder sonst ergriffen werden, auf drey Jahre zur öffentlichen Arbeit zu verurtheilen.

§ 9

Von dieser Auswanderungsstrafe sind jedoch ausgenommen:

  1. Junge Leute, welche vor ihrem 20ten Jahre auswandern und nach der Hand freywillig zurückkommen;
  2. Ein zu was immer für einer Zeit zurückkehrender, welcher sich über seine Entfernung und verlängerte Abwesenheit durch erhebliche Ursache z. B. eine zugestossene Krankheit; gewaltsame Hindernisse etc. zureichend rechtfertigt. Diese sämtlich sind von aller Strafe frey; wenn aber
  3. Jemand aus Leichtsinn, und Unbedachtsamkeit ausser Land gegangen und nach der Hand vor der § 6 bestimmten Frist von selbst zurückkehrt, so ist derselbe mit einem kurzen Arreste zu bestrafen.

§ 10

Sollte irgend einer Unserer Beamten oder ein Ortsrichter einem Auswanderer Hilfe geleistet oder durch wissentlich unterlassene Verhin­derung der Auswanderung an derselben Theil genommen haben, so behalten Wir uns vor, jene nach Gestalt der Sache entweder mit einer nahmhaften Geldstrafe oder mit Suspension von ihrem Amte zu be­strafen.

Hat aber ein anderer Unterthan einem Auswanderer auf was immer für eine Weise Vorschub geleistet, so soll derselbe auf ein Jahr zur öffentlichen Arbeit verurtheilet werden.

Würde jemand überführt, von dem Vorhaben der Entweichung oder von einer längeren und dadurch verdächtigen Abwesenheit oder von der heimlichen Wiederkehr eines Entwichenen Wissenschaft gehabt und keine Anzeige an die Ortsobrigkeit gemacht zu haben; der soll, nach­dem die Umstände beschaffen sind, auf mehrere Wochen oder Monate mit öffentlicher Arbeit bestraft werden.

§ 11

Fremde Werbungen sind innerhalb des Landes verboten, auf was im­mer für eine Art sie geschehen. Diejenigen, welche sich mit einem Ge­schäfte von dieser Art abgeben, sind als falsche Werber anzusehen und von jedermann, der etwas davon erfährt, sogleich der Obrigkeit anzu­zeigen, bey Strafe wie ein Hehler betrachtet und nach den mehr oder minder beschwerenden Umständen auf ein oder auch mehrere Jahre zur öffentlichen Arbeit verurtheilet zu werden.

§ 12

Ein ergriffener falscher Werber ist ohne einigen Unterschied seiner per­sönlichen Verhältnisse und Gerichtsverhältnisse durch das Oberamt abzuurtheilen und mit 100 Stockschlägen, sodann 10jähriger öffentli­cher Arbeit zu bestrafen, und wenn er Vermögen besitzt, hat er auch die Arretierungs- und Inquisitionskösten zu bezahlen.

Es macht in Ansehung der gegen falsche Werber gesetzten Strafe kei­nen Unterschied, ob die innerhalb des Landes Angeworbenen Eingeborene oder Ausländer gewesen.

Unterhändler und Mitwirker unter was immer für einer Gestalt sind mit eben der Strafe als die falschen Werber selbst anzusehen.

Diejenigen, welche von einer fremden Werbung wissentlich auswärtige Kriegsdienste zu nehmen sich haben verleiten lassen, werden, wenn sie Eingebohrne sind oder wegen ihres zehenjährigen Aufenthaltes im Lande denselben gleichgehalten werden, als wirkliche Auswanderer zu betrachten und in der Bestrafung wie diese nach Vorschrift des § 8 zu behandeln seyn.

§ 13

Auch Emissäre, unter was immer für einer Gestalt, welche Unterthanen zur Auswanderung und Ansessigmachung in fremden Ländern verlei­ten und bereden, sollen von jedermann, bey Strafe wie ein Hehler angesehen zu werden, der Obrigkeit angezeigt und überliefert und von dem Oberamte wie falsche Werber bestrafet werden.

Diejenigen, welche mit einem Emissär heimlich das Land zu verlassen eingewilliget haben, sind nach dem § 8 zu bestrafen.

§ 14

Bey dem bestehenden Auswanderungsverbote versteht sich von selbst, dass Fremden Innländer als Dienstleute ausser Land mit sich zu neh­men überhaupt nicht erlaubt ist. Doch kann ihnen gegen einen Erlag von drey hundert Gulden als ein Gewährgeld für die Zurücksendung des mitgenommenen Innländers von dem Oberamte die Erlaubniss hierzu ertheilt werden. Durchreisende Fremde sind daher in diesem Stücke besonders zu beo­bachten und, falls sie einen eingebornen Dienstboten ohne erhaltene Erlaubniss mit sich führen zu wollen überzeugt werden, für den Kopf mit drey hundert Gulden zu bestrafen.

So gegeben Wien den 15ten März 1809.

L. S.

J. F. Liechtenstein m. p.

Theobald von Waldberg m. p., Hofrath.

Georg Hauer m. p.

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[1] Kein Originaltitel, LI LA RB A1, 15. März 1809, handschriftliches Original mit Siegel und Unterschrift des Fürsten.