Wilhelm Beck rechtfertigt seine Haltung in der Verfassungsfrage und verteidigt sich gegen den Vorwurf, er sei Republikaner (1)
Artikel von Wilhelm Beck in den "Oberrheinischen Nachrichten" [1] 4.8.1920 Zur Politik der Wiener Gesandtschaft (Entgegnung von Dr. W. Beck, Vaduz.) VI. Zur Verfassungsfrage. Nicht nur Schreiber selbst hörte es, sondern viele andere waren Augen- und Ohrenzeugen, als Sie [Prinz Eduard] versprachen, dass wir durch Ihre Vermittlung binnen zwei Monaten eine Verfassung haben werden. [2] Mit dieser Auffassung gingen mit unserem Korrespondenten viele nach Hause. Ihre Darstellung ist Unwahrheit, um nicht mehr zu sagen. Ja, welches ist nun der wahre Sachverhalt? In Schaan wurde vom Hrn. Gesandten vergeblich sein politisches Verhalten einwandfrei zu rechtfertigen und das "Nachrichten"-Gewebe dieses Blattes, wie sich der Herr Gesandte so zart ausdrückt, zu zerstreuen versucht. Wir verweisen auf das bereits Gesagte. Es ist richtig, dass mehrere Redner der Volkspartei die baldige Revision der Verfassung, wie sie schon mehrmals versprochen worden war, verlangten. Herr Reallehrer [Gustav] Schädler schlug vor, eine Resolution zu fassen, wonach die schleunige Revision der Verfassung verlangt werde. Diese Anregung unterstützten auch Herr Dr. [Eugen] Nipp und andere Redner. Auf diesen einmütig kundgegebenen Willen der Versammlung erklärten Sie in langen Ausführungen u.a., eine Resolution brauche es nicht, Sie werden nun dafür sorgen, dass wir binnen zwei Monaten eine Verfassung bekommen. Mit dieser und keiner andern Auffassung gingen viele nach Hause. Die nun von Ihnen gegebene Darstellung, warum Sie eine formelle Resolution nicht haben wollten, und dass Sie ein solches Versprechen nicht abgeben konnten, haben Sie damals gar nicht erwähnt. Die vom Herrn Gesandten gegebenen Aufklärungen stehen mit den Tatsachen im Widerspruch. Sie stellen insbesondere den Sachverhalt schief vor, wenn es heisst, man habe wohl von einer Resolution von einer Seite gesprochen. Nein, von beiden Seiten ist die Anregung des Herrn Schädler unterstützt worden. Erst nachdem Sie, wie so oft, sicher erklärten, eine Resolution brauche es nicht, Sie sorgen nun dafür, dass wir binnen zwei Monaten eine Verfassung erhalten, stund man gemeinsam von der Resolution ab. Es ist also Unwahrheit, dass Sie nur versprachen, die Sache dem Fürsten [Johann II.] zu melden. In dieser Sache haben Sie mehr versprochen – als gehalten. Übrigens hat der Herr Gesandte sich schon vor jener Versammlung entrüstend über die Verschleppung der Verfassungsrevision ausgesprochen. Ich werde Ihnen doch nicht noch Ihre eigenen saftigen Ausdrücke in Erinnerung rufen müssen! Eine Unwahrheit ist es auch nach meinen bestimmt lautenden Informationen, dass der Herr Gesandte erst im Januar dieses Jahres auf der Fahrt nach Schaan zu jener Versammlung erfuhr, Herr Dr. [Emil] Beck-Bern habe die Verfassungsarbeiten zurückgelegt. [3] Das haben Sie schon vorher gewusst. Herr Dr. Beck hat in der Tat angeblich wegen Mangels einer Schreibkraft und weil er für sich selber in die halben Nächte das Schreibfräulein spielen musste, die Arbeit zurückgelegt. Vielleicht wissen Sie am besten, worin das Hindernis bestund, dass diesem Umstande nicht schon lange abgeholfen worden ist. In Hauptsachen steht nach meiner und anderen Auffassung der Berner Gesandte aber leider unter Ihrem Regiment. Meiner Ansicht nach ist das in Schaan gegebene Versprechen also nicht eingehalten worden. Mehr als zwei Monate, ja ein halbes Jahr hat man das gute Volk im Glauben gelassen, unser initiative Herr Gesandter überreiche dem Volke eine echt demokratische Verfassung. Heute ist dieses Volk um eine Enttäuschung reicher. Nun kommen Sie auch auf die Besprechung zwischen uns über eine Anregung betr. Revision der Verfassung durch Herrn Dr. [Martin] Ritter und Sie zu sprechen. [4] Die Besprechung wird wieder in unwahrer und entstellter Weise wieder gegeben. Wie ist der Sachverhalt? Der Herr Wiener Artikler kam zu mir, sagte, Herr Dr. Ritter habe bei ihm telephonisch von Feldkirch aus angeregt, sie beide könnten einen Verfassungsentwurf ausarbeiten, damit die Sache einmal vom Flecke gehe. Der Herr Gesandte erklärte sich nun dazu bereit, mit Herrn Dr. Ritter diese Arbeit zu übernehmen. Ich war natürlich höchst erstaunt, dass diese zwei bisher nicht auf dem besten Fusse stehenden Herren, wie ich aus den mehrfachen und bei wiederholten Anlässen gemachten Äusserungen des Herrn Gesandten feststellen konnte, nun plötzlich gemeinsam eine Verfassung ausarbeiten wollen. Ausserdem war ich über das Ansinnen des Hrn. Gesandten auch deshalb erstaunt, weil er ja doch wissen musste, dass kurze Zeit vorher Herr Dr. Beck-Bern das erste Mal mit dieser Arbeit betraut worden war. Unter dem Eindruck dieser Tatsachen hat mein Gesicht zwar nicht einen "verfinsterten", wohl aber höchst erstaunten Ausdruck angenommen. Ich entgegnete dem Herrn Gesandten, dass Herr Dr. Beck-Bern erst kürzlich mit dieser Arbeit im Einverständnis mit der Verfassungskommission beauftragt worden sei, demnach könne ich die Sache nicht mehr ändern; und wenn man dem Herrn Dr. Beck-Bern die Arbeit unter solchen Umständen wieder aus der Hand nehmen würde, wäre dies gleichbedeutend mit einem Misstrauensvotum. Ich schlug vor, dass allenfalls die beiden Herren den von Herrn Dr. Beck-Bern ausgearbeiteten Entwurf mit Zustimmung der Kommission übergeben könnten. Im weitern machte ich den Herrn Gesandten darauf aufmerksam, dass bei der damals (anfangs 1919) herrschenden Stimmung in der Bürgerpartei gegen Herrn Dr. Ritter, den ich gewiss für die Arbeit für fähig hielt, der Vorschlag des Gesandten wohl nicht beifällig aufgenommen werde. Ich versprach mir angesichts dieser Umstände leider wenig Erfolg von der Anregung des Herrn Gesandten, dessen Ankunft mir meines Wissens Herrn Dr. Ritter vorher telephonisch mitgeteilt hatte. Ich hatte den Eindruck, dass ich für die Idee in der Kommission Stimmung machen sollte! Sie waren bei jener Unterredung nach meinem ganzen Eindruck zuerst sehr für Herrn Dr. Ritter eingenommen und als ich Ihnen meine Ansicht auseinander gesetzt hatte, fiel es mir sehr auf, wie Sie sich sofort gegen Herrn Dr. Ritter aussprechen und Ihrem Unmut gegen diesen Herrn lebhaften Ausdruck verliehen. Das ist der wahre Sachverhalt. Wie mir von privater Seite weiter mitgeteilt wird, war Ihnen, wie auch andern Mitgliedern des Fürstenhauses und hiesigen Politikern mein gegen Mitte Januar (und vor jener obigen Besprechung) eingereichter Verfassungsentwurf [5] viel zu demokratisch. Sie haben dann nicht nur eine "vergleichende" Zusammenstellung aus der alten Verfassung [6], aus dem Entwurfe des jetzigen Herrn Landesverwesers [Prinz Karl] [7], welch letztere Arbeit ich nie zu Gesicht bekam, und aus meinem Entwurfe gemacht, sondern Sie sollen nach jener Information gerade die wesentlichen demokratischen Bestimmungen meines Entwurfes gestrichen, dafür andere wenig demokratische Bestimmungen vorgeschlagen und daneben die aus der alten Verfassung herübergenommenen Paragraphen stehen gelassen haben. Kurz, der Gesamteindruck, den Ihre Arbeit erweckt hat, war der, dass wir z.B. noch schlechter als unter der alten Verfassung fahren würden. Meinen Entwurf haben Sie, wie auch andere, totgeschwiegen. Ist es wahr oder nicht, Herr Gesandter? Das alles stimmt mit den von Ihnen seinerzeit gemachten Äusserungen in der Verfassungs- und Landesverweserfrage überein, wonach Sie vor allem die Rechte des Fürsten zu wahren haben. Die Peerfrage wird in diese Angelegenheit hereingezogen, obwohl der Korrespondent hiezu gar keine Veranlassung gegeben hat. Auf diese meines Erachtens erledigte Angelegenheit will ich nicht weiter eintreten. Ich möchte nur die Frage stellen: hat man in Wien nicht auch daran gedacht, Herrn Dr. [Josef] Peer mit Gewalt ins Land zu bringen und einzusetzen? Ja, ja es sollte eben eine Verfassung im Sinne gewisser Kreise eingeführt werden. Es freut mich, aus den Ausführungen des Herrn Gesandten festzustellen zu können, dass auch er für die Berufung Herrn Dr. Peers besonders eingenommen war. Das habe ich allerdings in der Unterredung vom Gründonnerstag [8] reichlich erfahren können. Die damals vorgebrachten Gründe stimmen nur teilweise mit den im Blatte veröffentlichten überein, das ist hier gegenüber allfälligen späteren Weiterungen festzustellen. Sie raten dem Artikler, Ihre zwei an mich gerichteten Briefe [9] in dieser Sache zu lesen, "deren Veröffentlichung in den 'O.N.' vielleicht nützlicher gewesen wäre, als mancher Artikel, der in dieser Frage einseitige Parteileidenschaft statt ruhiger Überlegung sprechen liess und sicher nicht dazu beigetragen hat, die Verfassungsrevision zu erleichtern und zu beschleunigen." [10] – Nun, solche Belehrungen bin ich mich und ist sich die Volkspartei von Ihnen gewöhnt: denn jene amtliche Kundmachung und jener Erlass, womit auf das Telegramm von der Triesnerprotestversammlung in der Peermache und auf die bezügliche Eingabe [geantwortet wurde,] haben meines Wissens die Schreibmaschine der Wiener Gesandtschaft passiert. [11] Darin stund ja schon von einem "befremdenden" Wortlaut und von einem "Versuch" in die Rechte des Fürsten einzugreifen. In der Wiener Gesandtschaft sind meines Erachtens noch viele Aktenstücke in der Peerfrage verfasst worden. Eine Einwilligung zur Veröffentlichung jener Briefe, wie auch der jüngst erhaltenen, habe ich nicht bekommen, und konnte ich demnach die Briefe nicht im Blatt abdrucken lassen, da es eben meiner Auffassung widerspricht, Privatbriefe derart zu gebrauchen. Übrigens kann ich die Versicherung abgeben, dass die Veröffentlichung jener Briefe gar nicht so nützlich für Sie gewesen wäre, wie das sich selbst einschätzend gemeint wird. Der Inhalt jener Briefe, die Argumentationen, warum der Wiener Gesandte Hrn. Dr. Peer im Lande haben wollte, weicht übrigens wesentlich von Ihren Aufklärungen vom Gründonnerstag ab. Ihnen hätte ich dennoch unter diesen Umständen mit der Publikation einen Dienst erwiesen, indem dann die andern für manche wenig schmeichelhaften Gründe, die Sie mir mündlich mitteilen, unter den Tisch gewischt worden wären. Nicht wahr, Herr Gesandter, wir verstehen uns? Dem Herrn Gesandten wird auch bekannt sein, dass ich wegen Missbrauchs – anders kann ich es nicht nennen – der Ihnen von mir mündlich und schriftlich mitgeteilten Gedanken reklamieren musste. Ein hiesiger Politiker erklärte auch, er sei über den Briefwechsel zwischen uns auf dem Laufenden gewesen. Auf meine bezügliche Beschwerde hin schrieben Sie in bezeichnender Weise: "Hierauf muss ich wohl erwidern, dass es in allen Staaten vorkommt und etwas Selbstverständliches (!) für einen Beamten ist, der in einer Mission mit den Parteiführern spricht, dass er über den Inhalt des Gesprächs einen schriftlichen Bericht erstattet und denselben nicht nur seinem Auftraggeber, also hier dem Fürsten, sondern auch der Regierung zur Kenntnis bringt... Ebenso selbstverständlich ist es auch, dass die Regierung die ihr nahestehende Zeitung mit Informationen versieht und so die Öffentlichkeit über Ihre Absichten aufklärt." [12] Diese ausweichende Antwort wagten Sie mir noch nach allem Vorausgegangenen zu geben! Nie haben Sie mir gesagt, dass Sie in einer Mission mit mir verkehren. Übrigens werden Sie wohl wissen, durch welche Vermittlung Sie mit mir Aussprache suchten und unter welchen Voraussetzungen. Müssen Sie noch Zeugen haben, die Sie daran erinnern? Ich will heute nicht mehr sagen. Muss ich Sie auch noch auf unser Gespräch am Bahnhof in Wien erinnern? Ihre Darstellung steht mit der Wahrheit gar sehr in Widerspruch. Warum ich meine Beziehungen unter diesen Umständen auf das Notwendigste eingeschränkt habe, mag jeder Leser selbst beurteilen. Ein Verräter an der eigenen Partei will ich nicht werden. Einen grossen Dienst hat mir der Herr Wiener Gesandte durch seine ganze Schreibweise gegen mich erwiesen. Er hat nämlich die unrichtige Behauptung gewisser Kreise im eigenen Lager, als ob ich mit ihm und andern Gegnern heimlich unter einer Decke stecke, gründlich zerstört. Ich danke für den zwar unbeabsichtigten, aber immerhin geleisteten Dienst! VII. Republikanismus. Entschiedenes Pech scheint der Herr Gesandte mit dem mir und andern gegenüber leichtfertig aufgeworfenen Vorwurf [zu haben], die Führer der Volkspartei und ich seien verkappte Republikaner. Anders vermag ich seine verschiedenen liebenswürdigen Anspielungen nicht aufzufassen. Die Ausstreuung des Herrn Gesandten steht auch mit der Auffassung des Fürsten selbst im Widerspruch. Wie uns nachträglich mitgeteilt, hat man am 30. Juli dem Obmann [Anton Walser] und Vizeobmann [Arnold Gassner] der Volkspartei auf Anordnung des Fürsten mitgeteilt, dass er früher nicht habe auf die Eingaben und Telegramme wegen Abwesenheit im Bade und dringender Geschäfte antworten können. Er liess für die in den Eingaben enthaltene Loyalität danken. Er wolle bei seiner nächsten Anwesenheit im August über die Verfassungsfrage konferieren und prüfe die Forderungen der Volkspartei unvoreingenommen. [13] Was die Volkspartei von dieser nachträglichen Eröffnung halten will, nachdem man sie so lange einer Antwort von der Gesandtschaft und von andern Wiener Stellen nicht für würdig gehalten hat, ist ihre Sache. Jedenfalls ist sie reichlich spät, sehr spät gekommen, und man wird erst recht auf Seite der Volkspartei neuerdings die Forderung stellen, die keinen Zweifel übrig lassen. Und wenn man den Fürsten früher anders beraten hätte, würde lange vorher eine Antwort gekommen sein. Die früher belehrende Antwort über "befremdende" Sprache und über den "Versuch" auf einen angeblichen Eingriff in die Verfassung ist recht rasch gekommen. Feststellen muss man, dass die Auffassung der Wiener Gesandtschaft nicht wahr ist. Auf eine grundsätzliche Auseinandersetzung hinsichtlich der Auffassung über die Staatsform will ich mich mit einem Herrn Prinzen – das ist ja demokratisch – nicht einlassen. Die Fähigkeit, hierüber ein eigenes Urteil bilden zu können, wird mir der Herr Gesandte in der schönen Wiener Stadt doch noch zutrauen. Allein seine Anwürfe und Anspielungen sind auf Massenbeeinflussung berechnet. Dem lieben Liechtensteiner soll mit dem Wort Republikaner die "Schrecke" geläutet und der Teufel an die Wand gemalt werden. Er soll gewarnt werden vor einer schlimmen Gefahr, die umherschleicht wie ein brüllender Löwe. Die gesunde Geistesverfassung vieler Liechtensteiner weiss solche Weckrufe richtig einzuschätzen. Sie ziehen nicht mehr. Dem Liechtensteiner Volke darf man schon in Erinnerung rufen, dass laut dem eben berührten Verlegenheitsgesetz, womit die fürstl. Prinzen seit Johann I. mit einem Schlage durch die Bemühungen des Herrn Gesandten zu Bürgern erster Klasse im Lande mit allen Rechten, aber keinen Pflichten, gestempelt worden sind, und diesen zugleich das in Österreich schon bisher innegehabte Bürgerrecht beizubehalten erlaubt worden ist. [14] Ein Prinz, der ausser seinem neu erworbenen Bürgerrecht noch sein Bürgerrecht in einer Republik beibehält – mag dies auch aus Sonderinteressen geschehen sein – ist meines Erachtens doch auch nach einer Seite hin Republikaner. Oder wie wollen Sie diesem Gedanken die Nase drehen? Gerade so eine schlechte Eigenschaft scheint es nicht zu sein, wenn man Republikaner ist! Wäre es nun ein Verbrechen, wenn jemand in dem von Ihnen in die Welt hinaus verkündeten fürstentreuen Liechtenstein Republikaner sein würde? Die Überzeugung, dass die Republik die beste Staatsform sein könne, ist mindestens ebenso achtenswert, als die, dass es die Monarchie sei. Dabei will ich weiter über die verschiedenen Nebenformen von Monarchie und Republik, welche Nebenformen ihrer Natur nach geradezu bei politischer Beurteilung den Ausschlag geben, kein Wort verlieren. Die Achtung dieser Überzeugung darf man auch von einem Prinzen fordern. Ich will dabei gar nicht untersuchen, ob und inwiefern derselbe den monarchistischen Bestrebungen in Österreich ab- oder zugeneigt ist oder nicht. Darüber sind ja selbst Blätter verschiedener Ansicht. Bei der Behandlung dieses Vorwurfes zeigt der Herr Gesandte eine merkwürdige verworrene Auffassung. Vor allem ist zwischen der Stellung des Monarchen, den Prinzen im allgemeinen und dem Herrn Gesandten und einigen Anhängern – im Volksmund sagt man Trabanten –, die durch ihr Getue fürstlicher als der Fürst sein wollen, ein Unterschied zu machen. Ein Vorwurf an den Gesandten trifft nicht alle Prinzen, geschweige denn unter allen Umständen den Monarchen. Wenn also z.B. bezweifelt wird, dass der Herr Gesandte ein Liechtensteiner mit Leib und Seele sei, eins mit dem Sinnen und Trachten unseres Völkchens, so hat das gar nichts mit dem Republikanismus und mit Fürstentreue zu tun. Würde ich eine solche Verwechslung begehen, so hätte man mir Selbstüberhebung vorgeworfen! Ebenso beinhaltet ein Vorwurf an die Trabanten noch lange nicht einen solchen an den Herrn Gesandten oder andere Stellen. Bitte, also mehr unterscheiden! Fürs zweite ist noch lange nicht gesagt, dass einem Manne, der für das Volk mehr Rechte verlangt, und die stillliegenden oder nur von seinen landesfremden Beamten bisher ausgeübten Rechte des Monarchen beschränken will, der Vorwurf eines versteckten Republikaners gemacht werden darf. Sie werden doch selbst zugeben, dass wir bisher eine konstitutionelle Monarchie mehr dem Scheine als der Wirklichkeit nach waren. Unsere Monarchie darf und muss bis ins Herz hinein demokratisch gestaltet werden. Wer aber dieses verlangt, ist noch lange kein Republikaner. Auf alle Gründe, warum eine echte demokratische Verfassung verlangt und auf ihr bestanden wird, einzutreten, habe ich nicht Lust. Einiges sei aber erwähnt. Die Unaufrichtigkeit der dem Volke gegenüber beschriebenen Politik mit landesfremden Einschlag muss verschwinden. Erscheinungen dieser Art lassen sich durch unsere Landesgeschichte hinein bis in die neueste Zeit verfolgen. Einseitige Behörden- und Dynastiepolitik ist nicht mehr segensreich und erwünscht, es wird heute mehr denn je und mit Nachdruck Politik vom Volk und für das Volk verlangt und innerhalb dieser hat sich die dynastische Politik zu bewegen. Jene volksfremde Politik hat zum Teil recht schlechte Früchte unter den liberal-aristokratischen und autokratisch-aristokratischen fremden Landesverwesern getragen. Die Politik soll nicht mehr von oben herab allein, sondern vor allem von unten hinauf aus dem bodenständigen Liechtensteiner Volk gemacht werden. Es gäbe ein eigenes Kapitel über die liberal-aristokratischen Landesverweser zu schreiben, die einzig und allein von oben herab dem Volke die Politik machten. Sie verbargen sich hinter dem alles bevormundenden und angeblich beglückenden Absolutismus, der mit ihnen und durch sie dem Volke aufoktroiert wurde. Diesen Kreisen hat es das Fürstenhaus in erster Linie zu danken, wenn der politische Glaube in manchen Volksreisen sehr ins Wanken gekommen ist, denn schliesslich will der Liechtensteiner in seinem Heimatlande auch noch was zu sagen haben. Jene und mit ihnen noch andere Kreise von heute sind die langsamen Totengräber des monarchischen Prinzips und gegen diese Erscheinung mache ich Front! (Fortsetzung folgt.)
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[1] O.N., Nr. 62, 4.8.1920, S. 1f. Der Artikel ist Teil einer umfangreichen Pressefehde zwischen Wilhelm Beck und Prinz Eduard. Ausgangspunkt war ein Artikel eines Korrespondenten in den "Oberrheinischen Nachrichten", der die Tätigkeit der Wiener Gesandtschaft kritisierte und u.a. eine Antwort auf die Frage forderte, wie "der Herr Gesandte sein in diesem Frühjahr abgegebenes Versprechen, das Land müsse binnen zwei Monaten eine Verfassung haben", einzulösen gedenke (O.N., Nr. 52, 30.6.1920, S. 2 ("Zur Politik der Wiener Gesandtschaft")). Prinz Eduard antworte mit einem vierteiligen Artikel im "Liechtensteiner Volksblatt" (L.Vo., Nr. 55, 10.7.1920, S. 1f.; Nr. 56, 13.7.1920, S. 1f., Nr. 57, 17.7.1920, S. 1f.; Nr. 58, 21.7.1920, S. 1 ("Zur Politik der Wiener Gesandtschaft")). Zu dieser Artikelserie nahm Wilhelm Beck in fünf Ausgaben der "Oberrheinischen Nachrichten" Stellung (O.N., Nr. 59, 24.7.1920, S. 1; Nr. 60, 28.7.1920, S. 1; Nr. 61, 31.7.1920, S. 1f.; Nr. 62, 4.8.1920, S. 1f.; Nr. 63, 7.8.1920, S. 1f. ("Zur Politik der Wiener Gesandtschaft")). [2] Gemeint ist wohl die Veranstaltung vom 18.1.1920 im "Bierkeller" in Schaan, an der Prinz Eduard über seine Tätigkeit als liechtensteinischer Gesandter in Wien informierte (L.Vo., Nr. 21.1.1920, S. 1 ("Eine denkwürdige Versammlung")). [3] Die "Oberrheinischen Nachrichten" berichteten am 24.5.1919, Emil Beck sei mit Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs beauftragt worden (O.N., Nr. 37, 24.5.1919, S. 2 ("Die Verfassungskommission")), Beck selbst erklärte allerdings, keinen solchen Auftrag erhalten zu haben (LI LA V 003/0843, Prinz Eduard an Johann II., 7.6.1919). [4] Martin Ritter hatte Prinz Eduard mit Schreiben vom 10.6.1919 vorgeschlagen, gemeinsam einen Verfassungsentwurf auszuarbeiten (LI LA V 003/0888). [5] Der Verfassungsentwurf von Wilhelm Beck von Mitte Januar 1919 wurde im Juni 1920 in den "Oberrheinischen Nachrichten" veröffentlicht (O.N., Nr. 47, 12.6.1920, S. 1; Nr. 48, 16.6.1920, S. 1; Nr. 49, 19.9.1920, S. 1; Nr. 50, 23.6.1920, S. 1f.; Nr. 51, 26.6.1920, S. 1; Nr. 52, 30.6.1920, S. 2 ("Verfassungs-Entwurf des Fürstentums Liechtenstein")). [6] Konstitutionelle Verfassung vom 26.9.1862 (LI LA SgRV). [7] LI LA V 003/0890, Verfassungsentwurf Prinz Karl, o.D. [8] 1.4.1920. [9] Wohl LI LA V 003/1189, Prinz Eduard an Beck, 12.4.1920; LI LA V 003/1191, Prinz Eduard an Beck, 3.5.1920. [10] L.Vo., Nr. 56, 13.7.1920, S. 1f. ("Zur Politik der Wiener Gesandtschaft"), hier S. 2. [11] Die Volkspartei organisierte vom 18.-25.4.1920 Versammlungen in Triesen, Vaduz, Triesenberg und Balzers. Die Versammlung in Triesen am 18.4.1920 verabschiedete eine Protestresolution, die "feierlichen Protest" gegen die "neuerliche Berufung eines Ausländers als Landesverweser" erhob (LI LA SF 01/1920/072; veröffentlicht in O.N., Nr. 32, 21.4.1920, S. 1 ("Zur Landesverwesermache")). Anton Walser brachte die Resolution am 26.4.1920 der Regierung (LI LA SF 01/1920/072) und dem Fürsten (LI LA V 003/1190, Depesche Walsers an Johann II.) zur Kenntnis. Der Fürst liess darauf, einem Vorschlag von Josef Peer folgend, antworten, er könne die Protestresolution nicht zur Kenntnis nehmen, da diese "befremdend" und ein Eingriff in die fürstlichen Rechte sei (LI LA SF 01/1920/074, Gesandtschaft Wien an Prinz Karl, 27.4.1920; LI LA V 003/1189, Entwurf Peer, 26.4.1920). Prinz Karl teilte dies im Auftrag des Fürsten Anton Walser sowie dem Landtagspräsidenten Friedrich Walser mit und liess eine entsprechende amtliche Kundmachung in den Landeszeitungen publizieren (L.Vo., Nr. 35, 1.5.1920, S. 4; O.N., Nr. 35, 1.5.1920, S. 4). [12] Prinz Eduard hatte eine Kopie seines Schreibens an Beck vom 12.4.1920 dem Volksblattredaktor Eugen Nipp übermittelt (LI LA V 003/1189). Auf den Protest von Beck (LI LA V 003/1191, Beck an Prinz Eduard, 24.4.1920) rechtfertigte sich Prinz Eduard mit Schreiben vom 3.5.1920 (LI LA V 003/1191). [13] LI LA SF 01/1920/110, Kabinettssekretär Josef Martin an Regierungssekretär Josef Ospelt, 26.7.1920. [14] Gesetz vom 1.9.1919, mit dem in Bezug auf die Agnaten des im Fürstentume Liechtenstein herrschenden Fürstenhauses einzelne Bestimmungen des Gemeindegesetzes vom 24. Mai 1864, LGBl. 1864 Nr. 4, authentisch erklärt und ergänzt werden (LGBl. 1919 Nr. 10). Mit diesem Gesetz wurden die von Johann I. abstammenden Mitglieder des Fürstenhauses "der Verbindlichkeit, einer liechtensteinischen Gemeinde als Bürger anzugehören, enthoben."
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