Erwerb der Staatsbürgerschaft (Bürgerpatent)


[Verordnung über den Erwerb der Staatsbürgerschaft] [1]

vom 15. Januar 1843

Wir Alois Joseph, von Gottes Gnaden souverainer Fürst und Regierer des Hauses von und zu Liechtenstein von Nikolsburg, Herzog zu Troppau und Jägerndorf in Schlesien, Graf zu Rietberg, Ritter des goldenen Vliesses, Grosskreuz des königl[ich] Hannoveranischen Guelphen-Ordens etc.etc. etc.

Nachdem schon bei Einführung der Gesetzgebung des österreichischen Kaiser­staates über das bürgerliche allgemeine Recht mit der diessfälligen Aufnahmsverord­nung vom 16. October 1819, Zahl 5806 erklärt worden ist, dass auch den nachträg­lichen hierauf Bezug nehmenden Verordnungen Gesetzeskraft ertheilt werden solle, so haben Wir in folgerechter Beobachtung jener Erklärung auch die in näherer Bestimmung der §§ 29 und 30 des allg. bürgl. Gesetzbuches erflossenen österreichi­schen Gesetze über den Erwerb der Staatsbürgerschaft aufzunehmen und für Unser Fürstenthum die eigenen Verhältnisse und Gesetze berücksichtigend bei künftigen Aufnahmen von Ausländern in den fürstlichen Unterthansverband nachfolgendes zu verordnen beschlossen.

§ 1

Jeder Fremde, der in den fürstlichen Staatsverband als Unterthan eintreten will, hat sich von seiner Behörde mit legalen Zeugnissen über seine Geburt, sein bisheri­ges Betragen, Gewerb und Vermögen, dann für den Aufnahmsfall über bedingte Entlassung aus seiner Heimath, aus welcher er einwandern will, endlich mit dem Zeugnisse, ob und welche Gebühren von einem fürstlichen Unterthan, wenn dieser dorthin aufgenommen werden wollte, verlangt werden, zu versehen und dieselben seinem Gesuche, in welchem er um Aufnahme in den Liechtensteinischen Staats­verband bittet, zuzulegen, welches dem Oberamte einzureichen ist. In diesem Gesu­che muss der Aufnahmswerber zugleich anzeigen, in welcher Gemeinde er seine Ansässigkeit zu nehmen wünsche.

§ 2

Ueber jedes derlei Gesuch ist die Gemeinde, in welcher sich der Ausländer ansäs­sig machen will, jedoch ohne dass ihr ein Ausschliessungsrecht zusteht, lediglich in Absicht der Erforschung der sittlichen Beschaffenheit des Bittstellers und sonstiger vorliegender Verhältnisse, welche die Aufnahme wünschenswerth oder bedenklich machen, zu vernehmen, wornach das Gesuch nebst der Aeusserung der Gemeinde­vorstehung von Seite des Oberamtes mit seinem Gutachten und Antrage Unserer Hofkanzlei vorzulegen sein wird.

§ 3

Sind die im § 1 erwähnten Zeugnisse über sittlich gute Aufführung des Bittstel­lers, seine Erwerbsfähigkeit, Vermögensumstände und sonstige obwaltende Verhält­nisse befriedigend und hätte die Gemeindevorstehung oder das Amt keine gründli­chen Bedenklichkeiten gegen die Aufnahme, die nie als ein Recht angesprochen wer­den darf, angebracht, so wird diese bewilliget, sonst aber abgeschlagen.

§ 4

Bei Erledigung der Aufnahmsgesuche ist immer darauf Rücksicht zu nehmen, ob der Einwanderer aus den deutschen Bundesstaaten komme, welcher in der Regel vor Unterthanen anderer Staaten zu begünstigen ist. Ist die Annahme bewilliget, so wird der neue Unterthan vor das Oberamt gerufen und ihm der Unterthanseid feierlich abgenommen, wodurch er als wirklicher fürstlich Liechtensteinischer Unterthan und als Beisäss jener Gemeinde, in welcher er seine Niederlassung angesucht und be­willigt erhalten hat, an- und aufgenommen wird. Als solcher tritt er in alle jene Rechte und Verbindlichkeiten ein, welche in dem vierten Abschnitte des Gemeinde-Gesetzes vom 1. August 1842 aufgeführt sind.

§ 5

Wollte die Liechtensteinische Staatsbürgerschaft auf Grundlage eines vollendeten zehnjährigen ununterbrochenen Wohnsitzes angesprochen werden, so wird ver­ordnet, dass die Staatsbürgerschaft von einem Fremden erst dann erworben seyn soll, wenn er sich über den vollendeten zehnjährigen ununterbrochenen Wohnsitz durch das Oberamt bei Unserer Hofkanzlei gehörig ausgewiesen, den Unterthanseid geleistet und darüber eine Beglaubigungsurkunde erhalten hat. Zu dieser Eides­ablegung soll jedoch der Fremde nicht eher zugelassen werden, als nachdem sich die volle Ueberzeugung verschafft worden ist, dass er die erwähnte Zeit hindurch sich nicht nur wegen eines Verbrechens keine Strafe zugezogen, sondern auch fortwährend ruhig, den Gesetzen und Anordnungen der gesetzlichen Behörden gehorsam und gut gesittet betragen und durch seine Aufführung und gezeigte Denkungsart niemals zu einem gegründeten Verdachte oder einer Beschwerde Anlass gegeben habe.

§ 6

Diejenigen Fremden hingegen, welche am Tage der Kundmachung dieses Geset­zes in dem Fürstenthume den zehnjährigen ununterbrochenen Aufenthalt bereits vollendet haben, ist zu gestatten, sich der dadurch erworbenen Liechtensteinischen Staatsbürgerschaft durch Führung des Beweises zu entledigen, dass sie die Absicht nicht hatten, Liechtensteinische Staatsbürger zu werden. Diese Beweisführung muss aber längstens binnen 6 Monaten vom Tage der Kundmachung dieses Gesetzes so gewiss angetreten werden, als dieselbe sonst nicht mehr gestattet werden würde.

§ 7

Gleichzeitig wird auch zu den in dem allg. bürgerlichen Gesetzbuche fest­ge­setzten Arten, die Liechtensteinische Staatsbürgerschaft zu erwerben, und in Uebereinstimmung mit dem §°2 desselben und mit dem § 19 des Auswanderungspatentes vom 15. Jänner 1843 bestimmt, dass die Liechtensteinische Staatsbürgerschaft auch von einer Ausländerinn durch ihre Verehelichung mit einem Liechtensteiner Staatsbürger ohne besondere Aufnahmsurkunde erworben werde. Ist dieser zugleich Gemeindebürger, so treten bei der eingeheirateten Ausländerinn die Bestimmungen der §§ 50 und 51 des Gemeindegesetzes vom 1. August 1842 in Wirksamkeit. Es versteht sich übrigens von selbst, dass von derlei Ausländerinnen der Unterthanseid nicht gefordert werden und dieser überhaupt nur von Manns­personen zu leisten sei.

§ 8

Die Ehe eines Inländers, sei sie im In- oder Auslande, mit einer Ausländerinn oder mit einer inländischen Nichtbürgerinn eingegangen worden, gibt auf die Liechtensteinische Staatsbürgerschaft und auf den Erwerb der Gemeindebürgerrechte nur dann die gesetzlichen Ansprüche, wenn die Ehe nach Verordnung vom 14. Oktober 1804 und Patent vom 15. Juli 1841 mit förmlicher Einwilligung Unseres Oberamtes oder in höherer Instanz der Hofkanzlei geschlossen worden ist.

§ 9

Für die Aufnahme in den Liechtensteinischen Staatsverband haben die Aufgenommenen überhaupt keine Aufnahmstaren zu entrichten, es wäre dann, dass von jenem Staate, aus welchem die Aufnahme zu geschehen hätte, von Liechtensteiner Unterthanen bei ihrer Aufnahme in den Staatsverband eine Aufnahmsgebühr verlanget würde. In solchen Fällen ist das Gegenrecht auszuüben.

Gegeben in Unserem Schlosse zu Eisgrub den fünfzehnten Jänner 1843.

Alois

(L.S.)

Joseph Freiherr von Buschmann, fürstlich dirigirender Hofrath

Maximilian Kraupa, fürstlicher Wirtschaftsrat.

Nach Sr. Durchlaucht Höchst eigenem Befehle:
Franz Strak, fürstlicher Sektretär

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[1] LI LA Sg RV 1843. Kein Originaltitel. Druck.