Briefwechsel Fürst Alois mit dem Bischof von Chur betr. politische Ehelizenzen][1]
vom 5. August 1841
Hochwürdigster Bischof! Hochgeehrtester Herr!
In Erwägung des höchstwichtigen Einflusses ehelicher Verbindungen auf das gemeine Wohl, die öffentliche Sicherheit und Sittlichkeit der Staatsgesellschaft hat schon mein Vorfahrer in der Regierung des souverainen Fürstenthums Hohenliechtenstein Weiland Fürst Alois mit Verordnung d[e] d[at]o Felsberg, den 14. Oktober 1804 festgesetzt, dass im souverainen Fürstentume ebenso wie in andern Staaten keine eheliche Verbindung ohne vorherige Einwilligung des obrigkeitlichen Lizenzscheines dazu eingegangen werden soll.
Weiland Se. Durchlaucht Fürst Alois unterliessen nicht, zur Durchführung und Handhabung dieser heilsamen Anordnung die gefällige Mitwirkung der Kirchengewalt nachzusuchen und Euer Hochwürden und Wohlgeboren Vorfahren Se. Fürstl. Gnaden der Herr Bischof Carl Rudolph erwiderten mit dem Schreiben d.do. Meran, den 15. Dezember 1804, dass die Seelsorgsgeistlichkeit zur genauen Beobachtung der weisesten Anordnung in Bezug auf die zur Einsegnung der Ehe erforderliche jedesmalige vorläufige obrigkeitliche Erlaubniss gemessenst verhalten und überdiess jene Weisungen beigefügt worden seien, welche der Sache angemessen und zum Betrieb des Gesetzes dienlich schienen.
Seit dieser Zeit ist auch im freundschaftlichen Zusammenwirken der geistlichen und weltlichen Obrigkeit keine Ehe ohne vorherige Erwirkung des obrigkeitlichen Lizenzscheines im souverainen Fürstentum eingesegnet worden, und das Gesetz besteht in voller Kraft und Wirksamkeit.
Leider haben aber in neuerer Zeit mehrere Unterthanen meines Fürstenthums, welchen wegen erwiesenen oder allbekannten schlechten Sitten oder wegen gänzlicher Vermögens- oder Erwerbslosigkeit von dem Oberamte die Ertheilung eines Licenzscheines zur Eingehung einer Ehe versagt worden ist, die gesetzliche Anordnung dadurch umgangen, dass sie sich ins Ausland, insbesondere nach Italien begeben haben und sich dort mit liederlichen, ebenfalls vermögens- und erwerbslosen Dirnen, die überdiess noch Unterthanen fremder Staaten waren, trauen liessen, und sodann mit ihren Familien, die in den Staatsverband aufgenommen werden mussten, in das Fürstenthum als ihr Vaterland zurückkehrten.
Um diesen der öffentlichen Wohlfahrt, Sicherheit und Sittlichkeit gleich nachtheiligen Gesetzesübertretungen für die Zukunft zu steuern und um zu verhüten, dass nicht Unterthanen fremder Staaten im souverainen Fürstenthum eheliche Verbindungen eingehen, die von deren heimatlichen Obrigkeiten in staatsrechtlicher Hinsicht als völlig ungiltig betrachtet werden, fand ich mich veranlasst, jene landesherrlichen Verfügungen zu erlassen, welche Euer Hochwürden und Wohlgeboren aus dem anliegenden Gesetze gefälligst zu entnehmen belieben, um so mehr, da gleichen Anordnungen in Oesterreich schon lange bestehen, und von Preussen und Bayern, von letzterem im besondern mit dem am Bundestag verlautbarten Wunsche zur Erlassung ähnlicher Verfügungen in andern Bundesstaaten in neuester Zeit als Gesetz kundgemacht worden sind.
Es geht daher mein freundschaftliches Ersuchen an Euer Hochwürden und Wohlgeboren dahin, die Geistlichkeit meines souverainen Fürstenthums zur genauen Befolgung dieser Gesetzesverordnung insbesondere anzuweisen zu gefälligen, und ich hoffe um so mehr auf Euer Hochwürden und Wohlgeboren Mitwirkung rechnen zu dürfen, als es sich nur um Erneuerung und Ausdehnung des bereits bestehenden Verbothes ohne oberämtlichen Lizenzschein nicht zu trauen handelt, als die Fälle, in welchen eine Verweigerung des Licenzscheines von Seite des Oberamtes stattfinden darf, auf jene in der österreichischen für das souveraine Fürstentum recipirten Gesetzgebung beschränkt sind, und als die getroffenen Verfügungen mit den kirchlichen Institutionen im Einklange und zur Erhaltung des gemeinen Wohl und der öffentlichen Sittlichkeit unerlässlich nothwendig sind.
Ich bitte die Versicherung der wahren und vollkommenen Hochachtung zu genehmigen, mit der ich zu verharren die Ehre habe!
Wien, am 5. August 1841
Euer Hochwürden und Wohlgeboren
verehrend ergebener
Alois Fürst Liechtenstein m.p.
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[1] LI LA RC 45/22. Abschrift. Kein Originaltitel. Der Brief wurde von der Rechtsbuchkommission als Rechtsvorschrift eingestuft und wird deshalb – obwohl nur eine Erklärung zur Verordnung vom 15. Juli 1841 – hier aufgenommen.