München den 28.8.01.
Meine theure Olga!
Gestern Nachmittag kam ich aus meiner 7 wöchentlichen Sommerfrische wieder hier an.
Der Aufenthalt in Kreuth war im Ganzen in gesundheitlicher wie in geselliger Hinsicht recht zufriedenstellend.
Meine zwei „Sklavinnen“ freuten sich zusehends, mir meine nun sehr elegante und reinliche Wohnung präsentiren zu können; ich bin wirklich ganz damit zufrieden und honorirte die Hausmeisterin, welche die Sache mit gewaltiger Energie betrieben hat, mit 20 Mark „königlich“. Es fehlt mir nun nur noch der liebe Olgus.
Wie geht es bei Euch? ist Emmaus wieder in die Alpen[1] zurück? Wie lassen sich heuer die Weinlese-Aussichten an? Was treibt Egon der Schweigsame? Gelt, ich kann auch gut fragen! In Kreuth haben mich nach einander fünf Amerikaner aufgesucht - es scheint fast, dass ich in der neuen Welt ein „grösserer“ Mann bin, als in dem alten Europa. Du wirst begreifen, dass ich in folge dessen sehr hochmüthig geworden bin!
Schreibe mir recht bald einen lieben Brief und sei versichert der herzlichen Zuneigung Deines Onkels
Jos. Rheinberger.
Ich hatte mich nicht vergeblich auf jenen „Knicks“ gefreut - er war unbeschreiblich!
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[1] in die Alpen = die meist landwirtschaftlich genutzten Berggebiete Liechtensteins.