Charles Joseph Frost bedankt sich bei Rheinberger, dass dieser seine Bemühungen, Rheinbergers Werk in England bekannt zu machen, würdigt


London, S.E. [1900]

72, Wicknam Road, Brockley,

Sehr geehrter Herr,

Ich habe Ihren Brief vor einigen Tagen mit vielem Vergnügen und Erstaunen erhalten, und ich bin hoch erfreut, dass Sie meine geringen Bemühungen, die Englischen Orgelspieler für Ihre herrlichen Schöpfungen zu interessiren und ihnen dieselben zu erklären, so freundlich würdigen. Es ist beinahe 20 Jahre her dass ich zu erst mit Ihrer fünften Sonate[1] bekannt wurde, die mich so entzückte, dass ich nicht ruhte, bis ich alle anderen damals vorhandenen mir verschafft hatte. Seit jener Zeit habe ich jede gekauft, welche erschienen ist, und fügte sie meinem Repertoire bei und ich bin nun mit der 19ten beschäftigt, welche ich demnächst zu spielen hoffe.

Als ich eine Serie von Rheinberger Orgel Sonaten in dem Institut der Goldschmiede in New Cross gab, fing ich zuerst an meine analytischen Noten über Ihre Orgelstücke zu schreiben. Diese waren dazu bestimmt für die Zuhörerschaft als Führer zu dienen, aber ich erweiterte sie nachher und schickte sie der Redaktion der „Musical Opinion“. Ich bin nun bei Nummer 13 angelangt und ich hoffe die Se- rie in Bälde vollendet zu haben, obgleich die Zeitschrift die Artikel nur in ziemlich langen Zwischenräumen veröffentlicht. Ich bin versichert dass das Englische Publikum Ihre Orgelsonaten nur vollständig kennen zu lernen braucht um sie vollständig zu würdigen und ich bin gewiss dass sie eine Quelle grosser Freude für den Spieler sind, welcher sich die Mühe nimmt, sie zu studiren und so ist seine die dabei gehabte Mühe reichlich belohnt.

Ich habe sie mit vielen meiner vorgerücktesten Schüler durch studirt und habe immer mit Freuden bemerkt, welches Vergnügen ihnen das Studium verursacht.

Was mich betrifft, so fühle ich, dass sie die erhabenste und edelste Musik für die Orgel enthalten welche componirt worden ist und ich hoffe aufrichtig, dass Sie noch viele Jahre erleben mögen um die Dankbarkeit zu vermehren welche die Liebhaber einer ächten Orgel-Musik Ihnen schulden, dadurch, dass Sie der musikalischen Welt noch viele Werke schenken. -

Indem ich Ihnen nochmals für Ihren freundlichen Brief danke, welcher mich sehr ehrt, bitte ich die Versicherung meiner Hochachtung zu genehmigen.
Charles Joseph Frost.

 

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[1] fünften Sonate = 5. Orgelsonate, op. 111, Fis-dur. S. 150/Z. 10: Mottl = Felix (Josef) Mottl (1856-1911), bedeutender Dirigent (Bayreuth) und Komponist.