Pfarrer Johann Baptist Büchel aus Triesen bittet Rheinberger, seine Liechtensteiner Landsleute weiter musikalisch zu beschenken


Triesen d. 15. Juli 96.

Hochverehrter Herr Professor!

Ihre Composition der Gassner'schen Hymne habe ich allerdings schon vor manchen Tagen erhalten und Euer Hochwolgeboren werden es wohl befremdlich finden, bis dato nicht einmal eine Empfangsbestätigung bekommen zu haben. Ich erwartete aber täglich die Anberaumung der

Lehrerconferenz[1], an welcher ich die beiden Compositionen vorzulegen gedachte. Aber umsonst! Endlich, als ich drängte, erhielt ich gestern abend von der Regierung die Mittheilung, eine Lehrerkonferenz könne in den nächsten Tagen desshalb nicht abgehalten werden, weil .der Fürst auf Besuch ins Land komme[2] und somit andere dringende Arbeiten vorliegen.

Ich komme daher heute wohl sehr unartig spät mit meinem herzlichen Danke für Ihre treffliche Arbeit, die mir wieder ausserordentlich gefallen hat und die im Volke gewiss freudig begrüsst werden wird. Sie ist gegenwärtig unter der Hand eines Abschreibers und wann immer möglich, soll Se. Durchlaucht diese Lieder beim diesmaligen wahrscheinlich sehr kurzen Aufenthalte noch zu hören bekommen.

Herrn Prof. Gassner erwarte ich in den nächsten Tagen zu Besuch; sollte dieser sich länger hinausschieben, so werde ich ihm Ihre Composition und Ihren freundlichen Gruss, für den ich in seinem Namen vorläufig herzlich danke, übersenden. Dass ihm Ihr Liechtensteiner Lied grosse Freude bereiten wird, weiss ich gewiss und er wird es nicht anstehen lassen, Ihnen dies in seiner kräftigen Art zum Ausdrucke zu bringen.

Wir warten aber noch mit Sehnsucht auf das Fürstenlied, das die würzige Luft Ihres Ferienaufenthaltes darbringen wird, nicht wahr? Punkto Text steht es Ihnen vollkommen frei, abzuändern, zu kürzen, hinzuzufügen, wie es zweckdienlich erscheint.

Sobald auch dies Lied angekommen sein wird, werden unsere drei neuen Lieder mit den zweien schon vorhandenen in Druck gegeben und als Annexe unserem Schulliederbüchlein beigegeben werden.

Gott gebe Ihnen, hochverehrter Herr Professor, eine fröhliche und kräftigende Vakanz, und ein hochwallendes patriotisches Gefühl für's Fürstenlied!

Mit hochachtungsvollem Grusse und freundlicher Empfehlung

Ew. Hochwohlgeboren ergebenster
Joh. Bapt. Büchel,
Pfarrer.

Triesen d. 15. Juli 96.

/P.S./ Vielen Dank für Ihre „Deutsche Hymne“[3],  die mich sehr interessirt hat. In diesem grossartigen Stile von „Macht und Ehre“ zu reden und zu singen müssen wir kleine Liechtensteiner es uns schon versagen.-

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[1] S. 56/Z. 16f: die Anberaumung der Lehrerconferenz = Prälat Johann Baptist Büchel (1853-1927), der mehrere vaterländische Gedichte geschrieben und sich auch als Lokalhistoriker einen Namen gemacht hat, war von 1891 bis 1920 Schulkommissär des Fürstentums Liechtenstein. Sein Bemühen um Vertonung seiner Texte stiess bei Josef Rheinberger allerdings auf wenig Gegenliebe. Einzig zum Gedicht „An die Heimat“ („O Heimatland in weiter Fern“) schrieb der Komponist eine Melodie für drei Singstimmen a cappella (WoO 86).
[2] weil der Fürst auf Besuch ins Land komme = Die Fürsten von Liechtenstein residierten bis 1938 in Wien und kamen nur zu zeitweiligen Besuchen in ihr Fürstentum.
[3]Ihre „Deutsche Hymne“ = s. S. 52/Z. 16.