Empfehlung Rheinbergers für Josef Joachim als zukünftigen Träger des Maximilians-Ordens


Empfehlung Rheinbergers für Josef Joachim als zukünftigen Träger des Maximilians-Ordens (Entwurf)
o.D. (1895)

München, den /undatiert/

Josef Joachim, geboren 1831, begann seine musikalische Laufbahn sehr früh - er erwarb sich den Ruhm, der erste deutsche Geiger zu sein, schon bevor er das zwanzigste Jahr erreicht hatte; und was fast noch mehr ist: er hat sich in dieser Eigenschaft mehr als vierzig Jahre behauptet.

Im Umgange Mendelssohn's und Schumann's reiften und vertieften sich seine allgemeinen musikalischen Kenntnisse der Art, dass bei ihm trotz der glänzendsten Virtuosität stets nur der ächte Musiker im Vordergrunde steht, was man wohl von keinem seiner zeitgenössischen Rivalen (wenn er deren haben sollte) behaupten kann.

Nach den erfolgreichsten Kunstreisen, die seinen Namen in aller Welt bekannt machten, wurde er schon in seinem I8ten Lebensjahre Konzertmeister in Weimar und 1854 Kammervirtuose und Konzertmeister in Hannover. Anno 1866 nach Berlin berufen, übertrug man ihm schon nach zwei Jahren die Direktion der Instrumentalabtheilung der neuerrichteten Hochschule für Musik, deren blühender Stand und weitreichender Einfluss seit neunundzwanzig Jahren wohl in erster Linie der genialen Lehr- und Direktionsthätigkeit Joachim' s zu verdanken ist.

Wenn früher, zu Konzertmeister David's Zeiten Leipzig die deutsche Hochschule für Geiger war, so ist dies durch Joachim's Verdienst in noch höherm Grade Berlin geworden. Durch sorgsamste Pflege des Streichquartetts, dieses edelsten Zweiges unserer klassischen Kammermusik, hat sich Joachim mit seinen drei Genossen grosse Verdienste und einen europäischen Ruf erworben, der wohl von keiner zweiten Quartettvereinigung erreicht wird.

Wenn Joachim's kompositorische Thätigkeit auch erst in zweiter Reihe genannt wird, so haben seine Violin- und Orchesterwerke sich doch hohe Anerkennung errungen und bezeugen die edle, jeder effekthaschenden Manier abholde Richtung des Künstlers.

Und somit glaube ich annehmen zu dürfen, dass Josef Joachim in vollem Maasse des hohen Maximilians-Ordens würdig ist und erlaube mir, ihn dem verehrten Ordenskapitel zu geneigter Berücksichtigung zu empfehlen.

Jos. Rheinberger.

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