4. Juni 1902
Landesverwesers Karl von In der Maur fordert den Schaaner Ortsvorsteher auf, für die Einhaltung der Polizeistunde zu sorgen. Die Gemeindepolizei soll nächtliche Gasthauskontrollen durchführen und gegen Ruhestörer vorgehen.[1]
Wie der fürstlichen Regierung gemeldet wird, kommen in Schaan fort und fort nächtliche Ruhestörungen und Excesse vor, welche hauptsächlich von jungen, nicht unter genügender Zucht stehenden und rohen Burschen verursacht werden. Diese mißlichen Zustände sind zum Theile auch darauf zurückzuführen, daß der Herr Ortsvorsteher selbst nicht mit genügender Energie einschreitet und zu sehr von der Furcht bestimmt wird, sich allfällige Feindschaften zuzuziehen.
Ich sehe mich demnach veranlaßt, Sie hiemit nachdrücklich an die Pflichten Ihres Amtes zu erinnern, welches Ihnen ein strengeres Vorgehen gegen derartigen Unfug vorschreibt. Insbesondere finde ich zur Behebung der eingerissenen Zuchtlosigkeit folgendes anzuordnen.
Das Gemeindepolizeiorgan hat bis auf Weiteres täglich zwischen 11 und 12 Uhr Abends eine Streifung[2] vorzunehmen, hiebei Nachschau zu pflegen, ob die Polizei stunde in den Gasthäusern eingehalten wird, jene Personen, welche nach 12 Uhr Nachts noch in einem Gasthause betroffen werden, aufzuschreiben, ebenso auch jene Personen, welche Nachtlärm verursachen oder die öffentliche Ruhe sonst irgendwie stören, zu Ihrer Kenntniß zu bringen. Es wird eine Controle darüber gepflogen werden, ob das Polizeiorgan seinen Verpflichtungen nachkommt, im Falle wahrgenommener Läßigkeit würde dasselbe von hier aus zur Verantwortung und Strafe gezogen werden.
Die in den Gasthäusern nach Eintritt der Polizeistunde angetroffenen Personen und den betreffenden Gastwirth sowie die nächtlichen Ruhestörer haben Sie sofort nach der Ihnen vom Gemeindepolizeiorgane erstatteten Anzeige der fürstlichen Regierung schriftlich namhaft zu machen, ohne sich erst in die üblichen Vergleichsversuche, die Ihren Mangel an Energie nur bemänteln sollen, einzulassen.
Es ist an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen am Kirchenplatze öffentlich zu verlautbaren, daß die Gasthäuser zur Polizeistunde (12 Uhr Nachts) geschlossen werden müssen, daß jeder Nachtlärm oder sonstige Excess strengstens untersagt wird, daß jede Störung des Verkehres durch herumlungernde und die Straßen verstellende Burschen verboten ist und daß Personen, welche die Vorschriften übertreten und sich den Anordnungen der Polizeiorgane nicht sofort fügen, zur Verantwortung und Strafe gezogen werden.
Sollten die in Schaan wahrgenommenen Ordnungswidrigkeiten, wie nächtliche Ruhestörungen, boshafte Beschädigungen fremden Eigenthumes (insbesondere auch der Straßenbäume und dergleichen nicht aufhören, so wird die fürstliche Regierung zunächst auf Kosten der Gemeinde die nöthigen Organe zur Herstellung der unerläßlichen Ordnung aufstellen und weitere Maßregeln in Erwägung ziehen, um ruhige Bürger vor Rohheiten und Belästigungen wirksam zu schützen.
Vaduz, am 4. Juni 1902.
In der Maur.
An den Ortsvorstand in Schaan.
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[1] GA S U173/5 Vaduz.
[2] Streifen: (vom Militär oder der Polizei) Suchen nach unliebsamen Personen, die dann aufgegriffen werden (Grünitz, Encyclopädie).