Casimir Meister berichtet Josef Rheinberger über ein Konzert in Paris.


Paris, le 5 Mai 92.

Mein sehr geehrter Herr Rheinberger,

Ich schreibe Ihnen heute im Momente des soeben stattgefundenen Conzertes im Trocadro in Paris (Orgelconzert v. Guilmant). Ich habe Ihnen zur Zeit gesagt, dass Ihre Suite op. 149[1] wahrscheinlich zu Gehör kommen werde und das war heute nun der Fall.

Ich habe dieselbe schon in München einmal gehört und verfolgte ich sie diesmal mit besonderem Interesse. Von der Aufführung kann ich Ihnen nur Gutes sagen. Die Solopartien lagen in den Händen der H. Guilmant, Bennequin und Baretti, und jeder Satz wurde mit einem Beifallssturm begrüsst; das Thema mit den Variationen war besonders günstig ausgefallen, das Orchester hat seinen begleitenden Teil sehr mustergültig durchgeführt. Ich kann Ihnen nur bestätigen dass op. 149 in Paris seinen vollst. Erfolg erzielt hat und gratuliere ich Ihnen noch besonders für diese schöne Composition!

Ich bleibe noch hier bis Mitte Juli und trachte dann in die Schweiz zurückzukehren um mich sozusagen festzusetzen; will Gott, dass ich in meiner Lebensbahn reussire. Am 30. April spielte ich hier in einem Männerchorkonzerte unter anderem eine Rhapsodie v. Brahms und Ihr Waldmärchen op. 8 mit gutem Erfolg; Correspondenz erfolgte in einigen Pariser und Schweizer Zeitungen.

Ich schliesse, Ihnen noch bestens dankend für Ihren letzten Brief und empfehle mich fürderhin Ihrem recht wohlwollenden Angedenken

Ihr ergebener Schüler

Casimir Meister

6 rue Bervic 6

Paris.

PS: Ich lege Ihnen eine dürftige Copie des Programmes bei, habe ein solches nicht doppelt bekommen können, vielleicht, dass Ihnen H. Guilmant noch schreibt.

Josef Renner steht weiterhin mit Rheinberger in engem Kontakt.

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[1] Suite op. 149 = Suite für Orgel, Violine, Violoncello und Streichorchester (ad lib.)