Kritik eines Konzerts, bei dem auch ein Werk Josef Rheinbergers gespielt wurde.


München, 25.1.91

Das gestrige erste Abonnements-Konzert der Musikalischen Akademie wurde zur Erinnerung an den vor kurzem verstorbenen dänischen Komponisten Niels Gade[1] mit der Ouverture "Nachklänge aus Ossian" eröffnet.

Die dritte Nummer des Programms bildete eine zum ersten Male aufgeführte Suite für Orgel, Violine und Violoncell mit Begleitung des Streichorchesters (das Letztere war im Programm zu bemerken vergessen worden) In c-moll op. 149 von Joseph Rheinberger. Diese Komposition bildet eine wirkliche Bereicherung der musikalischen Literatur, sie ist eine schöne Nachblüthe der sogenannten klassischen Periode der Musik. Dies zeigt sich vornehmlich im zweiten Satze, dem Thema mit Veränderungen, das in dem idealen Geiste der Werke der mittleren Epoche Beethoven's empfunden, mit grosser und dennoch niemals aufdringlich wirkender musikalischer Gestaltungskraft ausgeführt ist. Durch Frische und Lebhaftigkeit und prächtige Klangwirkungen zeichnet sich das Finale aus. Weniger bedeutend ist der erste Satz, recht hübsch, nur zu gedehnt, die Sarabende.

Die Wiedergabe des Werkes war eine ganz vorzügliche. Otto Hieber spielte den Orgelpart mit der ihm in so hohem Grade auszeichnenden sicheren Bestimmtheit. Benno Walter entfaltete die volle Klangschönheit seiner Tongebung und grosse Wärme der Empfindung, und der Meister des Violoncells, Franz Bennat, zeigte wiederum, wie ihm die Gabe eines bewussten Eindringens in den inneren Gehalt. der Tongebilde in ganz besonderem Grade zu eigen ist. Die genannten Künstler wurden durch häufige Hervorrufe ausgezeichnet und es musste zum Schlusse, dem stürmischen Verlangen des Publikums nachgebend, auch Hofkapellmeister Rheinberger zwei Mal am Podium erscheinen.

Bei den beiden letztgenannten Tonwerken dirigierte Herr Konzertmeister Abel das Orchester mit der ihm eigenen Umsicht.

______________

[1] Niels Gade = Niels Wilhelm Gade (1817-1890), dänischer Komponist. Rheinberger schrieb die 12. der "24 Fughetten strengen Stils" für Orgel, op. 123, über des Thema GADE.