Franziska Rheinberger bittet Peter Rheinberger Briefe, Schriftstücke, etc. von Josef zu sammeln und möchte wissen ob es möglichwäre das Haus der Eltern umzubauen.


München, 26.11.89.

[…] Curt hat Dir, wie er mir sagte, geschrieben, dass er Dich bittet, Alles, was von Briefschaften von uns noch vorhanden sein sollte, aufzuheben. Der Hauptgrund ist der, dass ich auf vielerlei Wunsch angefangen habe, Rheinberger-Erinnerungen zu sammeln.[1] In London nennt man ein Haus nach diesem Namen, in America wird ein Club nach ihm genannt - währe auch das nicht, so müssten wir doch in Ehren halten, was sich auf ihn und seine Familie bezieht, auch die erste Entwicklung seiner Kunst, weshalb ich auch David seinerzeit gebeten habe, mir Aufschreibungen zu machen. Gewiss sind auch noch viele Kindernoten von Curt da. Ich bitte Dich, lieber Peter, sammle Alles, auch was Curt an seinen Vater schrieb. Halte diess nicht für unbescbeiden meinerseits - indem ich diess bitte, thue ich es ja nur aus Liebe zu Euch Allen. - Es ist mir heute noch ein anderer Gedanke gekommen, den ich Dir wohl vertraulich mittheilen darf, ohne fürchten zu müssen, von Dir missverstanden zu werden. Ich dachte nehmlich - ob ich nicht doch Curt die Überraschung machen sollte, Euer Heimathhaus umzubauen? Du sagst, es sei der Reparatur nicht werth, Curt würde auch wegen der Fülle scbmerzlicher Erinnerungen keine Ruhe in diesen Räumen haben, aber wenn die alte, liebgewonnene Stätte ihm wahrlich gerichtet würde, ginge er vielleicht später doch, für längere Zeit nach Vaduz, zumal, wenn er einen eigenen Haushalt dort hätte; denn lange wird er doch schwerlich mehr sein Doppelamt behalten. Es könnte eine Art Atelier gerichtet werden, welches später für Egon nur angenehm sein könnte. Ich weiss nicht, ob ich Dir durch diesen Gedanken einen unangenehmen Eindruck mache? Hoffentlich nicht. Um so weniger als ich ja doch keine lange Lebenszeit mehr vor mir habe und es sich daher nicht um meinen Genuss handelt. Ich bitte Dich, lieber Peter, verstehe mich nicht falsch, Aber ich hielt es doch für recht, Dir diesen Gedanken zu schreiben, bevor Du Dich mit anderen Plänen beschäftigst. Die Nähe der Kirche und der Orgel würde Curt, wenn er den ersten Eindruck überwunden hat, gewiss sehr trösten und wir würden uns auch dann nicht so getrennt bleiben. Curt ahnt nichts von diesem Briefe, ich wollte vor Allem Deine offene Ansicht hören. - [...]

So eben erhalte ich Deinen Brief, der mich sehr bewegt hat. Ich kann aber, wenn es sich um Umschreibung des Hauses auf Curt's Namen handelt, unmöglich selbstständig und ohne nähere Kenntniss der Verhältnisse handeln, werde daher doch, sowie Curt heute nach Hause kommt, ihm Alles vorstellen und möglicherweise einen Sturm aushalen und ihn bitten, Dir heute noch ausführlich zu schreiben, es wird dann hoffentlich nicht zu spät sein. Kannst Du nicht ungefähr sagen, wie hoch ein Neubau von 6 Zimmern käme? So wie das Haus jetzt ist, würde Curt nicht darin bleiben, er sagte gestern zu Frau Maier, es sei ihm das Betreten dieses Hauses wie ein Eintritt in lauter Gräber.

Ich glaube Curt hat (ich wusste gar nicht, dass er Dir die Vollmacht sogleich ausgestellt) nur desshalb nicht ausführlich geschrieben, weil er sehr zartfühlend ist und Deinen Wünschen und Bestimmungen in nichts vorgreifen wollte.

Muss denn diese Amtsverhandlung so schnell sein? Es sind doch derartige Dinge vorerst ein bischen zu besprechen. Morgen oder übermorgen erhälst Du bestimmt Nachricht. […]

Es grüsst Euch tausendmal Fanny

München, 26.11.89.

Ich fahre sogleich in den Gottesdienst von Maier.[2]

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[1] Rheinberger-Erinnerungen zu sammeln = Tatsächlich sammelte die Familie in Vaduz schon früher alles Wichtige, das mit Josef oder anderen Familienangehörigen zusammenhing in einem Familienarchiv.
[2] in den Gottesdienst von Maier = Julius Joseph Maier, Rheinbergers ehemaliger Lehrer und Konservator der Musikabteilung an der Kgl. Bibliothek in München, war am 21 .11.1889 gestorben.