Franziska Rheinberger berichtet über Oper die von Joseph Rheinberger dirigiert wurde.


München, 17.12.1886

Gestern war die Oper wieder, und zwar - da Levi erkrankt war, unter Curts[1] Direktion, welcher ohne Probe, und ohne dass er die Oper je dirigirt hat, dieses Wagstück übernahm. Er war den ganzen Nachmittag sehr nervös davon und zitterte stark an den Händen, als er fortfuhr. Ich hatte mir einen Platz in der ersten Reihe genommen, um recht nah bei seinem Pult zu sein, und das Herz klopfte mir stark, als er hinaufstieg. Aber schon die Ouverture ging vortrefflich, wurde beklatscht, und da sowohl Orchester als alle Sänger mit grosser Liebe bei ihrer Aufgabe waren und ihr Bestes einsetzten, so war die Aufführung fast noch besser als die erste. Bisher war der Prinz-Regent nur während des Oktoberfestes auf einen Akt im Theater erschienen, gestern kam er bald nach Anfang und blieb bis zum Schlusse, was allgemein auffiel. Alle Hoflogen waren besetzt und trotz des Festes für den neuen Akademiedirektor und eines Concertes im Akademischen Gesangverein das Theater sehr gut besucht und die Theilnahme gab sich nach jedem Akte kund. Meine Angst, Curts Husten und Hand möchten durch das Dirigiren recht gereizt werden, war gross. Aber der Husten ist nicht schlimmer; die Hand thut zwar weh, aber hoffentlich wird es nicht böse Folgen haben.

Mir klopfte anfänglich das Herz so stark, das ich meinte, es wolle mir zu den Schläfen hinausfahren; aber allmählig beruhigte sich die Erregung und machte grosser Freude Platz.

Ich habe Dir diess Alles wahrheitsgetreu - wie selbstverständlich - geschildert. Ist guter Wille da, so wird die Oper am Repertoire bleiben und der berühmte Musikschriftstehler Ambros[2] wird recht behalten, dass Text und Musik der besten Aufnahme werth sind.

Es ist immer ein beruhigendes Gefühl, dass das Werk aus sich selbst, ohne all die Decorationswirthschaft gut ist. Übrigens waren die von Maler Flüggen angegebenen Costume vorzüglich und die einzelnen Scenen gaben sehr schöne Bilder. Es ist wahrhaft schade, dass Du nicht anwesend sein konntest.

Curt grüsst sehr herzlich, er hat soeben Besuch von italienischen Nobiles, die ihm der Musikschriftsteller Hanslick aus Wien anempfahl. -

Gute, gute Feiertage!-

Eure Fanny.

______________

[1] Curt = Josef Rh.
[2] der berühmte Musikschriftstehler Ambros = August Wilhelm Ambros (1816-1876), Neffe Raphael Georg Kiesewetters, Musikhistoriker, Kritiker und Komponist.