Henriette Huber-Hecker bedankt sich für all die Informationen die Olga ihr mitteilte.


Berlin, den 13. 1. 1902

Verehrtes Fräulein Rheinberger.

Zum allerletzten Mal will ich heut die mir so wohl bekannte, liebe Adresse schreiben. Kann ich Sie doch aus den Räumen des lieben Verstorbenen nicht scheiden lassen, ohne Ihnen von Herzen zu danken für Ihren guten Brief, der mich aufs Innigste bewegt hat; ohne Ihnen noch einmal zu sagen, wie treulich ich an Ihrem Schmerz u. an Ihrem Ergehen Anteil nehme.

Wie gütig war es von Ihnen, mir so ausführlich zu schreiben, trotz der vielen Arbeit, die auf Ihnen lastet, u. besonders auch, da Sie, wie ich heut höre, nichts von dem Verstorbenen über mich gewusst haben. Auch seinen, d. h. unsern gemeinsamen Bekannten gegenüber durfte ich auf seinen Wunsch nichts von unsern Beziehungen, unserm Briefwechsel laut werden lassen. Er meinte wohl, die Welt begriffe doch nicht, dass einmal wieder Alter u. Jugend sich so seltsam zu einander hingezogen fühle, dass Menschen in so verschiedenen Lebensaltern u. Stellung so tiefe Freundschaft verknüpfen könne. So habe ich selbst Frl. Rintelen nichts davon angedeutet (u. bitte Sie um das Gleiche), obwohl es mich auf die Nachricht von seinem Tode hin gleich zu ihr zog, als zu der Einzigen in Berlin, die nähere Nachricht haben konnte, u. die ja auch wusste, wie herzlich ich den Meister immer verehrt habe.

Ihnen gegenüber hab' ich dagegen das Gefühl, als dürfe ich alles frei heraus sagen. Standen Sie dem lieben Heimgegangenen doch am Nächsten, u. ist ja nun doch alles vorbei, alles dahin. Wenn ich an die nun leer gewordenen traulichen Räume denke, in denen er über 30 Jahre lang Glück und Leid erlebt hat, dann wird mir von allem so weh zu Mut, u. ich kann von Herzen Ihren Kummer mitfühlen, das alles fremden Leuten überlassen zu müssen. Möchten in der Heimat freundliche Bilder Ihrer warten u. möchte auch Ihr Fräulein Schwester, von deren Erkrankung ich noch im Sommer von Ihrem Onkel hörte, sich wieder ganz erholen!

Ich wohnte neulich einer erhebenden Gedächtnisfeier in der hiesigen Kreuz-Kirche bei, in der Frl. Rintelen auch "mein" Lied, das wunderbare "Wandrers Nachtlied" sang, das der Verstorbene mir zum Weihnachtsfest vorigen Jahres componiert hatte, u. das ich noch nie von einer so herrlichen Stimme hatte singen hören. Was für Erinnerungen stiegen da auf - es war eine tief bewegende Stunde.

Für die mir übersandte Photographie danke ich herzlich; sie ist mir nun lieb als letzter Gruss u. als Andenken an den treuen Freund, der sie damals von mir erbat, u. der sie gern hatte. Sein Bild, die Photographie seines Zimmers u. alle die lieben Briefe kann ich noch kaum wieder ansehen, u. doch bin ich so glücklich sie zu besitzen.

Mein verehrtes Fräulein Rheinberger, ich weiss gar nicht, wie ich dazu komme, Sie mit so langen Mitteilungen, die Sie ja nicht interessieren können, zu quälen. Aber ich hab' heut das Gefühl, als sei erst wirklich alles ganz dahin, wenn auch Sie München wieder verlassen haben. Darum hab' ich mich noch einmal an diesen letzten Anhalt geklammert.

Verzeihen Sie und sein Sie mir nicht böse. Leben Sie wohl u. Gott befohlen für alle Zeit!

Es grüsst Sie in dankbarer Verehrung

Ihre

Henriette Huber

geb. Hecker

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