Henriette Huber erbittet um Informationen über den Tod von Jos. Rheinberger.


Berlin, d. 27. XI. 01

Bayreutherstr. 5

Verehrtes Fräulein Rheinberger.

Verzeihen Sie es bitte einer Ihnen ganz Fremden, dass sie sich auch noch in diesen Tagen, wo so Vieles auf Sie eindringen wird, mit einer Bitte an Sie wendet. Ich weiss ja nicht einmal, ob Ihr Onkel Ihnen je von mir erzählt hat; aber er war mir ein so treuer, treuer Freund (wir sind im Sommer immer in Kreuth zusammen gewesen) u. hat mir so oft in Liebe von Ihnen gesprochen u. geschrieben, dass Sie mir wie eine alte vertraute Bekannte geworden sind u. jedenfalls die Einzige auf der Welt, die mir Nachricht geben könnte von seiner letzten Zeit und seinem Tod. Wenn man so in der Ferne ist u. die Trauernachricht in kurzen Worten in der Zeitung liest, dann kann man's ja gar nicht glauben, dass dieses liebe treue Herz nicht mehr schlägt ohne dass man auch nur eine Ahnung davon hat. - Wie viel Sie besonders an ihm verloren haben, das kann ich durch seine Briefe verstehen u. mitfühlen; aus allen sprach die gleiche unendliche Liebe und Hochachtung für Sie, u. noch im März in den schweren Krankheitstagen, schrieb er mir: Gottlob, meine Olga, mein Sonnenschein kommt zu mir; dann ist das Schlimmste überstanden. Ich denke darum in herzlichster Teilnahme Ihrer u. bitte nur noch einmal, wenn Sie nach der ersten schweren Zeit, die Sie wohl in München zubringen werden, ein halbes Stündchen Zeit haben, ach, dann sein Sie gut u. schreiben Sie mir nur, wie er gestorben ist, ob mit Bewusstsein, ob allein, ob er viel hat leiden müssen u. seine letzten Worte.

Und findet sich ein Gruss für mich - ich kann's halt nicht glauben, dass er fort ist ohne ein Wort von seiner Hand - dann schicken Sie's mir. Bitte. Auch meine Briefe an ihn u. mein Bild, wenn er nicht alles schon vor seinem Tod verbrannt hat, sind mir bestimmt. Die Briefe sind alle zusammen in einem Cigarrenkistchen; sie laufen vom September 1900 bis April 1901 u. sind mit meinem Mädchennamen, Henriette Hecker, gezeichnet. Das Bild stand den letzten Winter auf seinem Schreibtisch. Ach, ich bin unbescheiden u. egoistisch, dass ich Sie mit allem bemühe; aber ich weiss mir ja sonst keinen Rat u. muss doch etwas wissen.

Kann ich Ihnen je im Leben einen Dienst erweisen, dann will ich es mit Freuden tun, wenn es in meiner Macht ist; denn Sie haben ihn lieb gehabt u. ihm in der schwersten Zeit seines Lebens so treu beigestanden.

In herzlicher Teilnahme u. Verehrung die Ihre

Henriette Huber, geb. Hecker

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