[Fürstliche Verordnung betr. Polizei- und andere Ordnungswidrigkeiten beim sog. Knabeneinkauf, bei den Richter- und Landammannwahlen sowie beim Maiensetzen][1]
vom 24. Mai 1805
Wir haben unliebsam vernommen, dass in Unserem Reichsfürstenthum Liechtenstein noch so manche, die Ordnung und Wohlfahrt dieses Landes störende Missbräuche bestehen, an deren Beseitigung Unserem landesväterlichen, für das allseitige Beste unserer dortigen getreuen Unterthanen besorgten Herzen alles gelegen seyn muss.
In Folge dessen verbieten Wir hiermit ernstgemessen
1.tens
das daselbst so genannte Einkaufen der Knaben oder die gewisse Verbrüderung der erwachsenen ledigen Purschen unter sich, vermög welcher sie sich einander unter sonstiger Verfolgung zum Einkauf in diese Verbindung mit einem gewissen Weinbetrag nöthigen; bei Hochzeiten, Richter- und anderen Wahlen Wein sammeln, womit sie sich alle Sonn- und Feyertage volltrinken, andurch zu allen Ausschweifungen den Grund legen, als eigene Wirthe und Männer sodann das Nemliche fortsetzen und auf solche Art sowohl die Unsittlichkeit als die Unwirtschaft zum Verderben des Landes unterhalten.
Wir bekräftigen bey diesem Verbot nicht allein alles jenes, was weiland Fürst Anton Florian von Liechtenstein als Landesherr bereits im Jahr 1732 gegen diesen verderblichen Missbrauch in einer eigenen Polizey-Instruction angeordnet hat, sondern Wir setzen dem noch hiezu, dass es sowohl von dem Namen der vormals bestandenen Schloss-Compagnie als auch von allem dem, was sich die dortigen Pursche unter diesem eitlen Vorwand einer landesherrlichen Begünstigung an Trinkgelagen, Schiessen und anderen derley Unfug polizeywidrig erlauben, ohne weiters auf immer abzukommen habe.
Für die Erfüllung dieses Unseres ernstlichen Befehls, welcher gehörig kund zu machen ist, machen Wir euch Landvogt um so mehr persönlich verantwortlich, da ihr als Polizeyvorsteher und Unser bevollmächtigter Vertreter alle Mitteln in Handen habet, Unseren Anordnungen den schuldigen Respekt und Gehorsam, auch nöthigenfalls mit angemessenen Gewaltmitteln und Züchtigung der hartnäckigen Uibertreter zu verschaffen. - Damit Wir aber zu erkennen geben, welchen besonderen Nachdruck Wir auf die Befolgung dieser Unserer auf das gemeinsame Wohl unserer dortigen Unterthanen gerichteten Willensmeinung setzen, so verordnen Wir, dass die dagegen handelnden Individuen als hartnäckige Störer und Feinde des gemeinsamen Besten das erste Mal mit einem viertägig engen Arrest bey Wasser und Brod, das zweitemal aber mit einer vierzehntägig öffentlicher Arbeit unter schmaler Atzung beleget werden sollen.
2tens
untersagen Wir desgleichen und aus einem gleich väterlichen Beweggrund allen den Unfug, Lärm, Unkösten und Auflauf, welcher bisher bey den Landammanns- und Richterwahlen getrieben wurde, in den benachbarten österreichischen Staaten aber bereits gänzlich abgestellet worden ist, und befehlen hiemit, dass bey denen Landammannswahlen der bisherigen Beobachtung gemäss Unser Oberamt drey Subjecten der Landschaft oder den Gemeinden vorschlage, aus welchen einer entweder durch die Mehrheit der in jeder Gemeinde zu sammelnden Stimmen oder durch Ausschussmänner, deren von jeder Gemeinde einer zu ernennen wäre, gewählt werden muss.
Bei Richterwahlen hingegen hat die betreffende Gemeinde entweder selbst oder durch eigens zu wählende Ausschussmänner drey Individuen Unserm Oberamte vorzuschlagen, woraus selbes, wenn es gegen diese 3 Persohnen keine billige Ausstellung zu machen hat, einen zum Richter zu benennen und einzusetzen haben, im entgegengesetzten Falle aber, wenn nemlich alle 3 vorgeschlagenen von dem Oberamte als untüchtig erkannt werden sollten, sein Recht der Verwerfung in Unserm Namen ausüben und einen neuen besseren Vorschlag verlangen wird.
3tens
endlich verbieten Wir in Unserem Reichsfürstenthum allenthalben ohne Ausnahme das sogenannte Mayensetzen[2], wodurch nebst so manchen unnützen Aufwand zugleich den Waldungen ein beträchtlicher Nachtheil zugehet.
Wir versprechen Uns von unseren getreuen Unterthanen die so bescheiden als danknehmige Anerkennung, wie sehr alle diese Verfügungen nur ihre eigene Wohlfahrt zum Zwecke haben. Wir erklären aber auch zugleich, dass wir überhaupt gegen die Verlezung Unserer Befehle keiner Nachsicht Raum geben, sondern gegen die Uibertreter eben so streng verfahren werden, als es Uns noch ungleich willkommener seyn wird, Uns einmal in diesen so unliebsamen Fall zu sehen, sondern vielmehr Uns jederzeit des allgemeinen Gehorsams und gesetzlichen Verhaltens Unserer Unterthanen erfreuen zu können.
Wien, den 24ten May 1805
Johann Fürst von Liechtenstein m.p.[3]
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[1] LI LA RA 1/16/22/1. Kein Originaltitel. – Die fürstliche Verordnung wurde vom Oberamt mit Ausnahme des § 2 bekannt gemacht. Gegen § 2 machte dieses am 12. Juni 1805 Vorstellung, da sie in Bezug auf die Landammann- und Richterwahlen von falschen Vorstellungen ausging: "Bisher wurden die Wahlen im Fürstenthum Liechtenstein also vorgenommen: Bey den Richter-Wahlen hat das betreffende Gericht oder die Gemeind dem Oberamt drey Subjekte vorzuschlagen, aus welchen dasselbe einen Richter ausziehen konnte; und diese Methode ist sogar durch ein hofräthliches conclusum, worauf sich das Gericht der untern Herrschaft bekannter Dingen bey der letzten Richterwahl zu Schellenberg so hartnäckig gesteift hat, bestättiget. Bey den Landamanwahlen hat das Oberamt samentlichen Gemeinden oder der Landschaft drey Subjekten vorgeschlagen, von welchen sie Landschaften gleichfalls einen Landamann heraus nehmen mussten. Der Vortheil, welchen das Oberamt hiebey hat, ist beträchtlich, denn es kann diejenige, welche es nicht tauglich oder anständig findet, ausschliessen und die Landschaft andurch nöthigen, dass sie einen nehmen muss, der dem Oberamt annehmlich ist." Die Hofkanzlei rief darauf am 28. Juni 1805 die Verordnung zur Überarbeitung von § 2 zurück. Eine abgeänderte Verordnung ist nicht vorhanden.
[2]Aufstellen eines Maibaums, verbunden mit Festlichkeiten.
[3] Eigenhändige Unterschrift. Links davon schwarzes Lacksiegel, Durchmesser 25 mm. Siegelbild nicht erkennbar (Kanzleisiegel).