Franziska Rheinberger bedauert Hillers Abschied als Dirigent von den Gürzenich Konzerten


München, ohne Datum

 

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Die leidige Nachfolgerfrage wird nun auch berührt werden müssen. „Nix bessers kömmt net nach“, sagt man in München. Für alle Fälle darf es freilich nicht anwendbar sein, wo käme man sonst hin? Aber wir in München haben seit Lachner’s Abgang die Wahrheit dieser Rede oft recht bitter empfunden – und empfinden Sie noch. Eben kommen wir von der Hofkirche nach Hause wo mein Mann Lachner’s herrliche 5st. Messe in d-moll (mit dem schönen Sanctus) und sein eigenes Terra tremuit (8stimmig) dirigirte. Die Charwoche brachte wieder Perlen der alten Meister an die Reihe, unter Anderem Palestrina’s doppelchöriges Stabat Mater, welches in diesem goldenen Raume ganz seraphisch klang. Unsere geliebte Kirche hat unter Andern schönen Eigenschaften auch die unter Menschen so selten gefundene Dankbarkeit. Sie hegt und pflegt ihre Kinder, ihre Meister und während die besten Opern mit der Zeit von den Brettern schwinden, lebt ein Lassus, ein Palestrina und Lotti in seinen kirchlichen Werken in aller Jugendschöne und Wahrheit fort… weil es eben Ernst ist und nicht Komödie.

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