Rheinberger hat Wolframs Cellosonate kontrolliert und gibt Ratschläge und Anmerkungen


Bad Kreuth, 10. August 1881

 

Lieber Herr Wolfrum!

Hiermit sende ich Ihnen die zwei Sätze Ihrer Cellosonate zurück. Einige kleine Bemerkungen, die aber wesentlicher Natur sind, finden Sie eingetragen. Der Adagiosatz würde durch eine knappere Gestalt gewinnen - weniger Umschweife - immer rasch auf das Ziel (das Hauptthema) los. Manche halten das moderne, planlose Herumträumen in der Musik für Poesie - und doch ist es nur Schwächlichkeit der Erfindung. Der E-dur-Satz hat gute Themen, die sich plastisch abheben, aber gar oft steht das Clavier dem Cello im Wege; ganz gute Wirkung macht das Cello denn doch nur in der Kantilene - in der Figurative kommt es gegen das Clavier gar zu kurz. Ebenso müssen Sie die extreme Weitgriffigkeit im Claviersatze meiden.

Mit freundl. Grüssen

Ihr ergeb.

Josef Rheinberger.

Bad Kreuth. 10.8.81.

 

N.B. Verschaffen Sie sich M. Hauptmann's Briefwechsel an Franz Hauser [1] - das ist ein Buch, aus dem sich mehr lernen lässt, als aus den meisten theoret. Büchern!

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[1]recte: Moritz Hauptmanns Briefe an Franz Hauser (Hrsg. von A. Schöne, 2 Bände, 1871)