Johann Georg Herzog bedankt sich für das Zusenden des Programmheftes


Erlangen, 18. März 1881

 

Hochverehrte Frau Professor!

Sie haben mir in der That mit Übersendung des Programmes eine recht grosse Freude gemacht. Und dass dieses Liedlein gefallen hat, wie ich auch aus den Correspondenzen ersehen habe, war mir ebenfalls angenehm. Der Mensch ist nun einmal so organisirt, wohl auch für's Leben so erzogen, dass er lieber anerkennende Worte, als tadelnde erträgt. Ich danke Ihnen für die Befürwortung des kleinen Liedes herzlichst.

An dem selben Mittwoch, an welchem in München die Soirée der k. Vokalkapelle abgehalten wurde, probte ich hier mit meinem Verein zum Zwecke einer Kirchenproduktion. Ich machte dabei die Bemerkung, dass die Mitglieder, wenn sie rein sängen und das Piano hübsch hielten, alle von mir mit Reisegeld versehen würden zu einer kleinen Reise nach München, um die Vokalkapelle in der Allerheiligenkirche zu hören, und am Freitag, an welchem die kleine Produktion statt fand, kam zur Erheiterung Aller Ihr mir gesandtes Programm. Nun steht aber schon zweimal im Tagblatt: "Herr Pr., wann erhalten wir denn unser Reisegeld nach München?" Wenn die Leute, die unter meinem Scepter stehen, recht schlecht singen, was zuweilen zu geschehen pflegt, so sage ich, sie möchten doch nach München gehen, um zu hören, dass sogar die k. Hofkapelle nicht so schön singt, wie sie - da gucken sie mich dann an wie Bettler einen Geldschrank ansehen, oder auch wie jene, die im Vollgefühl ihrer Tugend und Selbstherrlichkeit gar nicht begreif en können, wie es ausser Ihnen noch was besseres geben könne. So hängt also die Geschichte zusammen.

Bis Anfangs August d.J. gedenke ich zu den geistlichen und weltlichen ein zweites Heft zu liefern. Es wäre mir sehr lieb, wenn ich darinnen eine passende, leicht gehaltene Nummer von meinem hochverehrten Freund Rheinberger bringen könnte, womöglich eine Originalcomp. mit deutschem Text. Vielleicht helfen Sie mir ein wenig dazu?

Bis jetzt habe ich nicht vor, Ostern nach München zu gehen. Sollte ich aber meinen Entschluss ändern, dann besuche ich Sie ganz gewiss. Ich empfinde oft eine rechte Sehnsucht nach der alten Heimath, so kleine Orte… /durch Ankleben der Briefseite unleserlich/ wenig Anregung…  gar zu verstandesmässig…. vor aller Poesie. Der Materialismus nimmt in erschreckender Weise Überhand - was vermag da der Einzelne mit seinem bisschen Talent für Kunst?

Mit den allerbesten Grüssen an meinen verehrten Freund in herzlicher Verehrung

Ihr

ergebenster

Dr. H.G. Herzog.

Erlangen, den 18. März 1881.

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