Brief von Hermann Levi an Josef Rheinberger:
Alexanderbad, 20.9.1877
Verehrter Herr College!
Soeben lese ich in der “Allgemeinen“ was ich längst erwartet und - gehofft hatte. Nehmen Sie meine aufrichtigen und herzlichen Glückwünsche freundlich an! Lassen Sie uns gute Collegen sein, und gute Freunde! Von ganzem Herzen reiche ich Ihnen die Hand zu einträchtigem Zusammenwirken und hoffe, dass Sie einschlagen und dass aus unserem Bunde nicht nur für uns selbst, sondern auch für die musikalischen Verhältnisse München's Gutes erblühen möge! Als ich bei meinem letzten Besuche von Ihrer Ernennung als etwas Selbstverständlichem sprach, waren Sie so still, ja ablehnend, dass ich fast glaubte, Sie wünschten die Stellung nicht, was mich einigermassen wunderte, da sie mich eine der begehrenswerthesten dünkt. Nun freue ich mich, dass ich mich getäuscht habe. Also nochmals meinen Glückwunsch und - auf gute Cameradschaft!
Ich habe schwere, trostlose Zeiten durchgemacht, eine nicht unbedenkliche Krankheit, von der ich mich noch immer nicht ganz erholt habe. Doch bin ich soweit, nächster Tage von hier abreisen zu können. Der Arzt wünscht, dass ich nicht direkt von hier aus nach München zurückgehe; von der hiesigen Einsamkeit zu dem Geräusche des Stadtlebens und den Anstrengungen des Berufs wäre ein gar zu jäher Wechsel, der mich leicht wieder zurückwerfen könnte. Ich will nun nächsten Sonntag im Nürnberger oder Regensburger Theater probiren, wie ich Musik und Hitze und Menschengewühl ertrage, und hoffe mich dann Ende dieses Monats zum Dienst melden zu können. Grosse Freude hatte ich durch das Zusammensein mit Holsteins, die 14 Tage hier waren. Leider war er immer recht unwohl; wir haben manches Klageduett zusammen gesungen! Mit der Bitte, mich Ihrer Frau Gemahlin zu empfehlen, und mit freundschaftlichem Grusse Ihr ganz ergebener
Hermann Levi.
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