Otto von Bever verleiht seinen Sorgen über das Stellenangebot der Leitung des Hochschen Konservatoriums in Frankfurt am Main seinen Ausdruck


Brief von Otto von Bever an Fanny Rheinberger:

 

München, 14.1.1877

Hochverehrte gnädige Frau!

Im Gefühl des Dankes, den wir Ihnen für Ihre vertrauensvolle Mittheilung schulden, und unter dem stets wachsenden Eindruck derselben kann ich nicht mehr fürchten, dass Sie es als unser eigenes Interesse betrachten, welches aus mir spricht, wenn ich mir erlaube, nochmals auf die Sache zurück zu kommen, sondern ich darf hoffen, Sie werden meiner Versicherung aufrichtig glauben, dass nunmehr Alles, was wir im Allgemeinen, und was meine Tochter an Ihnen persönlich und an Ihrem Herrn Gemahl verliert, vollständig in den Hintergrund tritt gegen die Sorge für die Zukunft Ihres Herrn Gemahls, falls jenes Project sich realisiren würde.

Ich will nicht mehr von dem ungewohnten Klima, also von Gesundheitsrücksichten, auch nicht von den Forderungen sprechen, welche die Gesellschaft dort an Sie beide stellen wird, also von Aufgebung Ihrer gewohnten, angenehmen Lebensweise, sondern nur das neue Verhältniss ins Auge fassen.

Von dem Capital, so grossartig es sich anschaut, sind die Zinsen, zumal sollten sie noch den Wittwengenuss in sich schliessen, absolut für Gründung eines Institutes nicht hinreichend, welches des Namens Ihres Herrn Gemahls würdig wäre. Wenn der Herr Professor das Budget der Musikschule zur Hand nimmt und erwägt, dass hier das Haus, die Instrumente, Musikalien, Mitbenutzung von am Theater angestellten Lehrkräften etc. etc. geboten sind, und dort noch garnichts vorhanden ist, so zeigt sich schon dabei, in welcher Weise jene Zinsen in Anspruch genommen werden. Die beizuziehenden Lehrkräfte gehen gleich in die Tausende von Mark. Der Aufenthalt dort ist sehr theuer, auch für Schüler. Wie viele Eltern können Ihre Söhne dahin senden?

Vor allem aber, welche Stellung verlässt Ihr Herr Gemahl und welche tauscht er dagegen ein? Hier eine Staatsanstellung, dort vielleicht einem Massen-Curatorium oder dergl. unterstellt, welches das Geld bewilligt; also keinesfalls freie Hand behaltend. Endlich die persönliche Stellung! Neben zahllosen Sorgen, Mühen, Ärger, geistigen und körperlichen Anstrengungen und Aufreibungen eine vielleicht unzureichende Besoldung. Die Zahlen, die ich hörte, muss ich geradezu für jene Stadt als jüdische Anerbietungen bezeichnen. Und die Sicherung der Zukunft, die doppelt zu berücksichtigen ist, wenn man die Staatsstellung aufgibt.

Wenn aber hier wirklich, was so leicht möglich, unlautere Elemente mit ins Spiel kommen sollten, so könnte es sein, dass Herr Professor am Ende hier einem Brahms Platz macht, und dort keine bleibende Stätte findet.

 

All' diese Möglichkeiten bewegen mich so sehr, dass ich den Tag nicht schliessen kann, ohne meine grössten Sorgen für die Zukunft eines Mannes Ausdruck zu geben, den ich und wir hoch achten und lieben lernten, und für die edle Frau, die sein Schicksal zu dem Ihrigen gemacht hat.

Ich schliesse und erlaube mir, meine Gedanken nun in Folgendem Zusammenzufassen: Möchte Ihr Herr Gemahl seiner vorgesetzten Behörde sagen, es sei ihm eine glänzende Stellung angeboten, er habe sie ausgeschlagen, man möge ihm aber diejenige Erleichterung gewähren, welche etc. etc. etc. Und den Frankfurtern möge er rathen, Brahms zu nehmen! Damit habe ich alles gesagt.

 

Nehmen Sie, gnädigste Frau, nehme Ihr Herr Gemahl mir meine Freimüthigkeit nicht übel; sie kommt aus ehrlichem Herzen. Gott lenke Ihre beiderseitigen Entschliessungen. Mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr ergebenster

Otto Bever

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