Brief von Jos. Rheinberger an David Rheinberger:
München d. 6./12.73
Mein lieber Bruder!
Da wir aus Deinen heutigen Zeilen schlossen, dass Ihr nicht ohne Sorge wegen unseres Gesundheitszustandes seid, so will ich nicht lange zögern, Dich zu beruhigen. Wir beide sind bisher (gottlob und unberufen) von der Cholera verschont geblieben, aber die Sache gestaltet sich leider täglich düsterer. Von den 14 Stadtbezirken sind neun bereits wieder angesteckt und die Leute verlassen massenhaft die Stadt, - die benachbarten kleinen Städte, wie Rosenheim, Aibling usw. sollen überfüllt von Flüchtigen sein. Unser Stadttheil, der in der Sommerepidemie am meisten gelitten, ist bis jetzt noch frei. Meine Schwiegermama ist seit drei Tagen krank, aber gottlob wieder besser; ihre Köchin musste aber heute ins Krankenhaus geschafft werden. -
Die Witterung ist fortwährend schön und kalt, scheint aber bei Weitem nicht den Einfluss auf die Krankheit zu haben, den man ihr früher zuschrieb. Die Arzte gestehen auch zu, dass die Krankheit immer räthselhafter werde. Und nun, lieber Bruder, fürchtet Euch nicht für uns, wir fürchten uns auch nicht und leben ruhig und gefasst fort.
Mit freundlichen Grüssen an Alle
Dein Bruder Kurt.
Fanny grüsst Alle herzlichst.
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