Jos. Rheinberger gratuliert seinem Vater zum Geburtstag


Brief von Jos. Rheinberger an seinen Vater:


München d. 21/10.72.   

Mein lieber Vater!

Wenn ich auch mit meinem Glückwunsche zu Ihrem 83ten Geburtstage mich um eine halbe Woche verspäte, so ist derselbe doch um nichts weniger herzlich - und es ist mir wahrhaftig leid, dass es mir heuer nicht wohl möglich war, einige Tage des Herbstes für einen Besuch in Vaduz zu erübrigen. Meiner noch immer kranken rechten Hand wegen musste ich eine ausführliche Kur in Bichl gebrauchen; dieselbe hatte wenigstens so weit Erfolg, als Prof. Nussbaum, der erste Arzt Münchens, glaubt, dass sie bis Weihnachten vollständig genesen könne. Möge er Recht haben; bis dahin sind es dann gerade zwei Jahre seit meiner Erkrankung. -

Da ich nun heuer nicht nach Vaduz kam, so möchte Ich Ihnen und der guten Mutter, die ich tausendmal grüsse, auf Weihnachten eine rechte Freude machen, und beauftrage hiemit Maly, mir baldigst einen Vorschlag zu machen. Wie geht es dem lieben Bruder Tony? Maly scheint gottlob sich wieder gut zu befinden. -

Fanny und ich sind immer mit dem Plan eines Hauskaufes beschäftigt; es ist aber so schwer in nicht weiter Entfernung vom Centrum der Stadt etwas Passendes, das nicht zu theuer wäre, zu finden. Die Miethpreise sind so gestiegen, dass unsere Wohnung bereits 700 fl. kostet. Wenn es so weiter geht, werden die Juden in München bald die Christen verdrängt haben, und wir müssen uns nach Sendling oder in die Aue zurückziehen.

Mit dem Einstudiren meiner neuen Oper wird jetzt begonnen; möge dieselbe gut ausfallen. -

Ist die übersandte Notiz von den Spielpächtern [1] wahr? Sie stand zuerst in der Kemptner Zeitung. -

Was hört man von der Vaduzer Orgel?-

Der lieben Mutter zur Nachricht, dass der "Kickeriki" ausgezeichnet geschmeckt hat. Besten Dank dafür. -

Mit herzlichen Grüssen von Fanny und mir an alle lieben Angehörigen, theuerster Vater! verbleibe ich

Ihr dankbarer Sohn

Josef Rh/einberger/.

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[1] Die Spielbank von Baden-Baden bemühte sich um eine Konzession für das Fürstentum Liechtenstein, die jedoch schliesslich nicht erteilt wurde.