Franziska Rheinberger berichtet von der Pragreise und weiteren Entwicklungen in ihrem Leben.


Brief von Franziska Rheinberger an David Rheinberger:

München, den 28. April 72.

Lieber David!

Da ich Sehnsucht habe von Vaduz Nachricht zu bekommen und ich auch fürchte, dass Maly meinen letzten Brief nicht erhalten, versuche ich es einmal wieder, Dir zu schreiben, zumal ich weiss, wie pünktlich Du im Beantworten der Briefe bist, so dass auch ich mir ein Beispiel an Dir nehmen darf.

Von Peter erhielt ich vor einigen Wochen einen zufriedenen Brief über die Besserung im Befinden Theresens, doch schrieb er so viel wie nichts von den Eltern, Euch und Egon und ich möchte gar gerne wissen, wie es bei Euch steht.

Unsere Pragerreise wird Dich interessirt haben, nicht wahr? Dass Curt dort Ehre einlegte mit seiner Kunst mag Dir beweisen, dass er vor einigen Tagen ein Diplom zugesandt bekam, durch welches er einstimmig zum Ehren- Mitglied des Vereins zur Beförderung der Tonkunst in Böhmen ernannt wurde, eine Ehre, mit der man nicht so sehr freigebig in Böhmen ist. -

Seit gestern sind wir auch mit dem Clavierauszug der neuen Oper fertig, doch wird dieselbe erst im Herbste dran kommen, was Curt auch viel lieber ist, da er jetzt, nach der angestrengten Arbeit lieber Erholung hat und sucht. Die Hand ist noch immer nicht ganz geheilt und Buhl ordnete wieder das Bad Bichl für den September und Kreuth für den August an. Es ware zu wünschen, dass diess Leiden endlich gehoben würde. Im Übrigen fühlt sich Curt viel wohler hier, als in Prag und Leipzig und freut sich ungemein über den schönen, lang ersehnten Frühling. /…/

Gegenwärtig wird von Curt eine lebensgrosse Büste gemacht, um dem Wunsche eines Bildhauers zu willfahren. Wenn er auch eine kleine Büste derselben nachmacht, so werde ich Euch eine zuschicken, das wird aber noch eine Weile dauern.

Während ich Dir schreibe (Sonntag Nachmittag) flachst er ganz bequem auf einer Chaise longue in meinem Zimmer und staunt über das miserable Clavierspiel eines jungen Baron, der über uns wohnt. -

Die Steigerungswuth der Wohnungen ist übrigens jetzt eine so grosse, dass auch wir, so oft es schellt, einen Brief der Hausfrau erwarten. Treibt sie's zu arg, so ziehen wir eben aus. Es wird wohl wo anders auch noch ein Nest geben.

 /…/

Kurri, das 'Ehrenmitglied böhmisches' lässt Dich bestens grüssen und hofft gleich mir, dass daheim Alles gut steht. Wie paradisisch schön muss es jetzt bei Euch sein, wenn das junge Grün kommt.

In herzlicher Freundschaft

Deine Fanny."

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