Brief von Josef Rheinberger an seinen Bruder David Rheinberger
Mein lieber David!
Da mir's nach und nach der Zustand meiner rechten Hand gestattet, Briefe, wenn auch nur kurze, zu schreiben, so erachte ich es für meine angenehme Pflicht, Dir zu schreiben, und zwar an einem lieblichen Frohnleichnahmsmorgen, an welchem eingeheizt werden muss.
Fanny war so freundlich mir seit Dezember fast alle Correspondenz abzunehmen, und so im wahren Sinne des Wortes meine rechte Hand zu sein. Merkwürdigerweise war ich immer im Stande, wenigstens meinen Geschäften an der Musikschule nachzukommen; nur an dem einen Tage, als die allerdings unheimlich gross gewordene Geschwulst von selbst aufging, blieb ich zu Hause. Von jenem Tage an hörten die Fiebererscheinungen auf und der Zustand der Hand begann (sehr langsam) zu bessern. Nussbaum sagt, dass bis zur völligen Herstellung der Hand noch ein gutes Halbjahr vergehen werde, doch würde ich ohne bleibenden Schaden davonkommen. Diese schöne Krankheit heisst Knochen-Fontanelle und bildete sich zwischen Mittel- und Zeigefinger. Gegenwärtig mache ich täglich zweimal Bleiwasserumschläge, welche die offenen Stellen offen erhalten und den Eiterungsprozess befördern. Vielleicht kann ich nun auch bald wieder ein wenig Klavierspielen, eine Freude, die mir bei meinem neuen Flügel wohl zu gönnen wäre.
Landesverweser v. Hausen [1] schrieb mir vor ein paar Tagen, dass ich mein Gutachten über eine Orgel an den Grafen Westphalen in Wien abgeben möchte. Ich werde mich noch über einige Punkte informieren um nach circa 14 Tagen Antwort an Westphalen und Herrn V. Hausen geben zu können, glaube aber jetzt schon in Steinmaier in Oettingen(in Ries) den richtigen Mann für Erbauung der Orgel gefunden zu haben. Jedenfalls ist er ausser Walker, dessen Schüler er ist, der beste Orgelbauer Süddeutschlands. Ich könnte auch Walker selbst nennen, der grösseren Ruf geniesst, doch ist derselbe alt und als berühmter Mann natürlich wenig lenksam, während ich mit Steinmaier, der nach Walkers System arbeitet und den ich persönlich kenne, sehr wohl ein Wort sprechen könnte. Beiliegende Orgeldisposition, die ich als diesem Zwecke entsprechend entworfen habe, bitte ich vorläufig Herrn v. Hausen mit meiner Empfehlung zu übergeben und ihn von dem Vorigen in Kenntniss zu setzen. - Was nützt aber eine schöne Orgel, die Niemand regieren kann?
Liesse sich nicht in Vaduz mit unbedeutender Nachhilfe eine Musiklehrerstelle schaffen, welche Kirchenmusik, Gesang an den Schulen in sich vereinigte, und einem selbständigen Musiker, keinem Schullehrer, übertragen werden könnte? Rege diess doch in meinem Namen beim Herrn Landesverweser an. -
Wie geht es den lieben Eltern? Und Peter mit Familie? Ich bitte alle herzlichst zu grüssen. Da ich meine Hand nicht sehr ermüden darf, muss ich schliessen. Dein Dich liebender Bruder
Josef Rheinberger
Folgende Disposition und Kostenberechnung stellte Rheinberger eigenhändig auf:
ORGEL IN VADUZ
(Steinmayer)
I. Man/ual/: | 1. Principal | 8’ | 600 M/ark/. |
| 2. Bourdon | 16’ | 180 |
| 3. Tibia | 8’ | 160 |
| 4. Gamba | 8’ | 224 |
| 5. Gedakt | 8’ | 120 |
| 6. Trompete | 8’ | 340 |
| 7. Quintflöte | 5 2/3’ | 100 |
| 8. Octav | 4’ | 150 |
| 9. Gemshorn | 4’ | 120 |
| 10. Mixtur | 2 2/3’ 5fach | 290 |
| 11. Octav | 2’ | 72 |
|
II. Man/ual/: | 12. Principalflöte | 8’ | 280 |
| 13. Salicional | 16’ | 230 |
| 14. Aeoline | 8’ | 180 |
| 15. Fag: Clar: | 8’ | 360 |
| 16. Liebl. Ged: … | 8’ | 120 |
| 17. Fugara | 4’ | 124 |
| 18. Flöte trav. | 4’ | 110 |
| 19. Cornett 5 f. | | 230 |
| 20. Flageolett | 2’ | 60 |
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III. Manual: | 21. Geigenprinc: | 8’ | 300 |
| 22. Wienerflöte | 8’ | 180 |
| 23. Dolce | 8’ | 170 |
| 24. Viola | 4’ | 124 |
| 25. Flautino | 2’ | 60 |
| | | |
Ped/al/: | 26. Principalbass | 16’ | 400 |
| 27. Violon | 16’ | 272 |
| 28. Subbass | 16’ | 190 |
| 29. Quintbass | 10 2/3 | 160 |
| 30. Posaune | 16’ | 300 |
| 31. Octavbass | 8’ | 140 |
| 32. Violoncello | 8’ | 150 |
| 33. Flötenbass | 4’ | 100 |
| | | 6666 |
| dazu das Übrige … | | 6998 |
| | Summa = | 13664 M/ark. |
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[1] Karl Freiherr Haus von Hausen (1823-1889) war von 1862 bis 1884 Fürstlicher Landesverweser in Liechtenstein.