Brief von Karl Geith an Jos. Rheinberger
München, d. 24ten Dez. 70.
Hochgeachteter Herr Professor!
Mein herzlicher Dank für die freundliche Einladung zu Ihrem Ehrentage hätte Sie schon eher aufgesucht, wäre es nicht mein Wunsch gewesen, Ihnen mit dem Danke für die Blüthe Ihres Talentes zugleich auch einen musikalischen Gruss zu senden. Dass das nun gerade heute geschieht, da alle Welt sich bescheert, wollen Sie mir nicht als Prätension auslegen.
Da heute Bescheerungsabend ist, so darf ich um so eher einen Wunsch laut werden lassen, als dessen Gewährung nicht mir zu Gute kommen wird.
Ihr Werk sagt mir, dass auch Sie als eines der höchsten Ziele des schaffenden Künstlers das erkannt haben, was R. Schumann als das höchste in dem kirchlichen Kunstwerk ersehen. Wenn nun aber das Wort Hauptmanns wahr ist, dass das höchste der Kunst überall nicht für den Künstler und Kunstkenner a u s s c h 1 i e s s 1 i c h da ist, - wenn Sie das wahr lassen können, - dann begreifen Sie, wenn ich hoffe, der Mann von Geist und vollendeter Technik, der Componist des Requiems möchte im neuen Jahre der Kirche, d.h. den Kirchenchören in ihrer wenn auch nicht grossen, so doch möglichst weiten Allgemeinheit sein Talent nicht vorenthalten. Da Sie auch leicht ausführbar zu schreiben verstehen, so soll Ihnen der Entschluss zu diesem Ziele gewiss ein leichter sein. Mit Empfehlungen meiner Frau an Ihre Gnädige,
in Verehrung Ihr ergebener
C. Greith.
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