Fanny Rheinberger schreibt an ihren Schwiegervater in Vaduz über die zweite Vorstellung von "Die sieben Raben"


Fanny Rheinberger schreibt an ihren Schwiegervater in Vaduz:


München, den 9. August 1869
(recte: 9. September!)

Theurer Vater!

Endlich, endlich hat gestern Abend, am Tage Mariae Geburt, die zweite Aufführung der 7 Raben vor ganz besetztem Hause statt gefunden und gleich der ersten Aufführung einen

durchschlagendenErfolg gehabt, was gestern fast noch schwerer war, als das erste Mal, weil all unsre Bekannten von München gegenwärtig fort sind, so dass lauter Fremde im Parquet und in den Logen waren, von denen man keine besondere Theilnahme für die Person des Componisten voraussetzen konnte. Aber die wahrhaft edle und zu Herzen gehende Musik fand ihren Weg und ihren Lohn. Wenn man hier lebt und mit ansieht, mit welchen Mitteln gearbeitet wird (von der Parthei Wagners, mit dem König an der Spitze), um durch hunderttausende von Gulden, welche an Sänger, Maschinisten, Zeitungsschreiber etc. die Menschen zu gewinnen und einen Erfolg zu erreichen ausgetheilt werden, wenn man liest, wie von Nah und Fern die Partheigänger Wagners zu den Vorstellungen eingeladen werden, wie Wochenlang die Journalisten aus Paris, London etc. zusammen in den Caféhäusern berathen und schon im Vorneherein ihre Begeisterung laut werden lassen ......dann, lieber Vater, möchte man bange werden, wie man in dieser Welt durch die Einfachheit, ohne alle Reclame durchdringen soll und doch will Curt keine anderen Mittel nehmen als seine ernste, schönste Kunst und wie in seiner Oper selbst die Gestalt der Elsbeth und ihre Tugend über Vorurtheile und Ränke siegt, so auch die ganze Oper gegenüber dem Getriebe der Welt. Sie ist im Vergleich zu Meyerbeer'schen und Wagner'schen Opern durch die Intendanz fast ärmlich ausgestattet. Mit Ausnahme des Schlussbildes ist nicht eine Decoration neu und vielleicht wurden nur drei höchstens vier neue Costume dazu angeschafft - und dennoch - dennoch war am Schlusse ein Sturm der Begeisterung! Curt denkt viel zu edel, als dass ihn dieser Geiz von Seite des Theaters ärgerte - auch kann er sich mit Mozart trösten, dessen Opern hier auch mit so ärmlicher Ausstattung gegeben werden, dass neulich in einer Zeitung stand, dass der unsterbliche Don Juan es noch nicht einmal zu einer anständigen Hölle gebracht hätte! Riehl hatte recht, wenn er schrieb, "die 7 Raben seien eine Oper zum Hören"! Wer schöne Musik hören will, dem kann das Herz dabei wohl thun.

Curt dirigirte gestern nicht selbst, da er natürlich wünschen muss, dass die Oper eine Repertoire-Oper bleibe, und auch ohne seine Gegenwart gegeben werden könne. Es waren nur zwei Proben vorher, während vor Rheingold vielleicht 20 Proben waren!

Ich schreibe Ihnen diess Alles so aufrichtig-, lieber Vater, um Ihnen einen Einblick in die Verhältnisse zu geben, welche Sie, als Vater Ihres Sohnes gewiss interessiren. Die Künstlerlaufbahn ist keine leichte und nur dann eine wahrhaft edle und schöne, wenn man, so zu sagen, unter Gottes Auge schafft und lebt und als ersten Zweck für Gottes Ehre arbeitet. Und diesen Eindruck machen die 7 Raben. Nichts ist daran auf Effekt gearbeitet - sondern eine fromme Weihe durchzieht das Ganze, so dass man oft unwillkürlich die Hände faltet und unbewusst zu beten anfängt. - Wir sind natürlich begierig, wie in Mannheim und Dresden die Aufführungen ausfallen werden. -

Curt sehnt sich noch recht nach dem Lande; denn die 3 - 4 Wochen in Kreuth, während welchen wir ohnedem viel Regenwetter hatten, genügten ihm nicht und es that ihm weh von der schönen, stillen Natur mitten in diese Theater-Wirtschaft herein zu müssen. Nun müssen wir eben wegen Mannheim hier bleiben und warten. Leider ist keine Aussicht, dass wir heuer nach Vaduz kommen...

Sie begreifen, theurer Vater, dass Curt genöthigt ist, nach Mannheim & Dresden zu gehen... im Stillen hege ich aber doch die Hoffnung, dass wir, wenn auch nur auf ein paar Tage in das Rheintal kommen. . . vielleicht.

Wegen der Musikschule ist jetzt auch Alles in Schwebe. Curt bedauert den Fortgang Bülows sehr, da er in ihm einen wahrhaften Künstler achtete, der auch gegen Curt ein sehr künstlerisches, entgegenkommendes Benehmen hatte. Wer nun Director werden soll, steht in Frage. -

Für Curt ist die Hauptsache, dass er immer Zeit und Ruhe zum Componiren hat, deshalb kann ich für ihn keine Veränderung der Verhältnisse wünschen - auch ist er glücklich - Gott sei Dank. An mir soll er bis zum Ende ein liebendes Weib und treue Stütze haben.

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In herzlicher Liebe bittet Sie um Ihre fortdauernde Liebe Ihre Tochter Fanny.

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