J.G. Rheinberger teilt seinem Bruder David mit, dass er nach Leipzig fahren muss, um seine Symphonie vorzuführen.


Brief an seinen Bruder David
17. Feburar 1867, München


Mein lieber Bruder David!

Da ich nächsten Mittwoch nach Leipzig reise, so drängt es mich, zuvor Dir und all unseren lieben Angehörigen ein Lebenszeichen von mir zu geben. Letzte Woche erhielt ich von der Gewandhaus-Concertdirection die Einladung, meine Wallenstein-Sinfonie am 28. Febr. dort selbst zu dirigiren; natürlich sagte ich zu - muss aber der Proben wegen, und um das Orchestre und die dortigen Musikgrössen kennen zu lernen, doch einige Tage eher hingehen. Da Leipzig die musikalisch tonangebende Hauptstadt Norddeutschlands ist, so ist das für mich von grosser Wichtlgkeit; sollte ich dort eine Schlappe erleiden, wie seinerzeit der sel. Napoléon, so habe ich doch nicht so viel zu verlieren wie jener. Meinen Rückzug (hoffentlich ohne verfolgt zu werden), nehme ich über Dresden, Prag und Regensburg, so dass ich bei dieser Gelegenheit ein gut Stück deutschen Landes sehen werde.

Das Künstlerleben hat etwas Aufregendes und Aufreibendes - ich will froh sein, wenn ich einmal in Ruhe und Musse wieder eine grössere Arbeit vornehmen kann; - besonders reut mich all jene schöne Zeit, die ich den Schülern geben muss; diese Zeit, in den besten Jahren des Lebens verloren, ist unersetzlich - nun - darüber wollen wir bald wieder welter philosophiren - theoretisch und - praktisch. Also! am 28. Abends sieben Uhr denkt daran, dass ich soeben in Leipzig meine Schlacht schlage, und Du, lieber David, trinke einen herzhaften Schluck auf mein Wohl. Von Leipzig aus werde ich jedenfalls dem lieben Vater, den ich herzlichst grüsse und küsse, Nachricht geben. -

Maly, die ich ebenfalls grüsse, soll doch öfter an Frau v. Hoffnaass schreiben. An Lisi, Toni, die liebe Mutter und an die 'Hohenliechtensteiner' die herzlichsten Grüsse von Deinem treu ergebenen Bruder

Josef Rheinberger.

München d. 17/2 67.

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